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Implantatversorgung in der Alterszahnheilkunde

Implantate stellen in einer alternden Gesellschaft einen wichtigen Faktor dar, um die Kaufähigkeit zu erhalten bzw. wiederherzustellen und zu einer Steigerung der Lebensqualität beizutragen [Kroll, et al., 2018, Müller, et al., 2013]. Unklar ist dabei, inwieweit sich der Alterungsprozess nachteilig auf den Implantaterfolg auswirken könnte. Eine ganze Reihe Studien unterscheiden daher zwischen dem chronologischen und dem biologischen Alter und beschäftigen sich mit der sogenannten „zellulären Seneszenz“ bzw. „Immunoseneszenz“.

Vieles deutet darauf hin, dass sich eine Parodontitis beschleunigend auf den Alterungsprozess auswirkt und somit zu einer Beeinträchtigung der Reproduktionsfähigkeit von Stammzellen sowie einer Schere zwischen dem biologischen und chronologischen Alter führen kann [Baima, et al., 2022]. Eine Parodontitis fördert die Entstehung sogenannter „Seneszenzassoziierter Zellphänotypen“, welche zu altersbedingten pathologischen Zuständen oder zu einer erhöhten Progredienz der entzündlichen Prozesse in der Mundhöhle und in der Folge auch zu verstärkten Verlusten des Alveolarknochens führen können [Chen, et al., 2022]. Insofern kann die Behandlung einer entzündlichen Erkrankung der parodontalen und/oder periimplantären Gewebe nicht nur lokal wirken, sondern unter Umständen auch zu einer Verbesserung des Allgemeingesundheitszustands führen [Müller, et al., 2022].

Allerdings gestaltet sich die Umsetzung präventiver Maßnahmen insbesondere bei immobilen älteren Menschen oder bei Senioren in stationären Einrichtungen der Altenpflege schwierig [Müller, et al., 2022]. Die Ergebnisse einer klinischen Studie deuten darauf hin, dass das Alter die Knochenneubildungsrate negativ beeinflusst und die Einheilung von Augmentaten sowie knöcherne Remodellierungsprozesse deutlich mehr Zeit in Anspruch nehmen als bei jüngeren Probanden [Nissan, et al., 2018]. Auch das Risiko einer Periimplantitis war in einer retrospektiven Kohortenstudie bei Patienten ≥ 65 Jahre im Vergleich zu jüngeren Implantatpatienten signifikant erhöht [Poli, et al., 2016]. Insbesondere bei hochaltrigen Probanden scheinen die Implantatverlustraten infolge einer gestörten Osseointegration erhöht zu sein [Bertl, et al., 2019]. Im Vergleich zu diesen Erkenntnissen scheint das chronologische Alter nicht zwingend einen negativen Einfluss auf die Osseointegration von Implantaten zu haben [Papež, et al., 2018].

Keine Unterschiede in den Implantatüberlebensraten zwischen jüngeren und älteren Probanden konnten in Kohortenstudien [Boboeva, et al., 2021] und einer systematischen Übersichtsarbeit festgestellt werden [Sendyk, et al., 2017]. So wurden auch bei älteren Probanden mit einem mittleren Alter von 68 Jahren im Vergleich zu jüngeren Patienten mit einem mittleren Alter von 45 Jahren nach Versorgung mit zwei interforaminalen Implantaten und Deckprothesen keinerlei Unterschiede in Bezug auf die Überlebensraten sowie auf die Weichgewebsgesundheit und krestalen Knochenverluste beobachtet [Hoeksema, et al., 2016]. Geschlechtsspezifische Umstände können eine Rolle spielen, im Vergleich zu männlichen Probanden [Wang, et al., 2021] kommt es bei Frauen nach der Menopause zu einer Verringerung der Kortikalisdicke des Alveolarknochens, welche sich nachteilig auf die Primärstabilität und die Osseointegration von Dentalimplantaten auswirken kann [Ko, et al., 2020]. Chronische Erkrankungen, die in höheren Altersgruppen häufig anzutreffen sind, sollen zusätzlich zu einem erhöhten potenziellen Risiko für Misserfolge nach einer Implantatbehandlung führen. So führt eine unbehandelte Osteoporose zu signifikant niedrigeren Implantatüberlebensraten im Vergleich zu gesunden oder mittels niedrig dosierten Antiresorptiva behandelten Probandinnen [Cheng, et al., 2022, Liapaki, et al., 2022, Temmerman, et al., 2019, Temmerman, et al., 2017].

Die hochdosierte Gabe von Antiresorptiva scheint jedoch zu hohen Implantat-Misserfolgsraten [Fretwurst und Nelson, 2021, Schimmel, et al., 2018] bzw. hohen intraoperativen Risiken zu führen [Schimmel, et al., 2018]. Auch in Bezug auf eine Abnahme der Knochenmineraldichte und einer Osteoporose bei postmenopausalen Frauen und einem klinischen Attachmentverlust war ein signifikanter Zusammenhang erkennbar [Penoni, et al., 2017]. Ergebnisse einer Fallserie konnten zeigen, dass auch bei älteren Patienten mit mehr als drei systemischen Erkrankungen hohe Implantatüberlebensraten erzielt wurden [Kim, et al., 2022]. Auch wenn beispielsweise rheumatische oder kardiovaskuläre Erkrankungen ein erhöhtes Risiko für einen Implantatverlust bedeuten, gingen die Autoren einer Kohortenstudie nicht davon aus, dass es eine absolute Kontraindikation für eine Implantatversorgung bei älteren Patienten mit systemischen Krankheiten gibt [Neves, et al., 2018]. Die Ergebnisse eines systematischen Reviews zeigten, dass die Implantatverlustraten bei Patienten mit Diabetes, Parkinson oder kardiovaskulären Erkrankungen nicht höher sind als bei systemisch Gesunden [Schimmel, et al., 2018].

In einigen Untersuchungen war ein Zusammenhang zwischen einem jüngeren Patientenalter bei Implantatinsertion und einem erhöhten Implantatverlustrisiko nach Versorgung zahnloser Patienten erkennbar [Jemt, T. 2019a]. Dabei schienen insbesondere teilbezahnte Probanden mittleren Alters zwischen 45-64 Jahren besonders betroffen zu sein [Jemt, 2019b]. Patienten aus jüngeren Altersgruppen zeigten dabei eine Tendenz zu frühen Implantatverlusten [Jemt, T. 2019b]. Ein höheres Alter zum Zeitpunkt der Implantatinsertion scheint darüber hinaus sogar einen protektiven Effekt auf krestale periimplantäre Knochenverluste zu haben [Etöz, et al., 2021]. Ein Frühverlust war dabei mit einer erhöhten Patientensterblichkeit assoziiert. In einer Metaanalyse wurden Parameter identifiziert, welche die körperliche, soziale und geistige Gesundheit von Senioren beeinträchtigen können. Da die Mundgesundheit einer dieser Parameter ist, gingen die Autoren davon aus, dass eine Steigerung des Mundhygienebewusstseins, regelmäßige Maßnahmen zur Zahnreinigung sowie die Versorgung mit suffizientem Zahnersatz zentrale Faktoren sowohl für die Mundgesundheit als auch für die Allgemeingesundheit und die Lebensqualität älterer Menschen haben [Liu, et al., 2022].

Die Literatur-Recherche zum Thema finden Sie im PDF (s. unten).