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Navigierte Implantologie

Seit mehr als 30 Jahren schreitet die technologische Entwicklung im Bereich der computergestützten 3D-Planung und geführten Implantatinsertion stetig voran. Anhand dieser Technologien kann die Implantation offensichtlich vorhersehbar geplant und durchgeführt werden. Eine Reduktion der Risiken für Fehlpositionierungen von Implantaten oder der Beschädigung vulnerabler Strukturen bzw. der allgemeinen Reduktion von Komplikationen und Misserfolgen ist dadurch möglich. 

Neben der sich noch relativ neu etablierenden, robotergestützten Implantatinsertion (robotic computer assisted implant surgery, rCAIS) unter Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI), sind die statische (sCAIS) und dynamische (dCAIS) computergestützte Implantatchirurgie die gängigsten Verfahren, die aktuell klinisch am Patienten eingesetzt werden. 

Die sCAIS scheint die derzeit am häufigsten angewandte Insertionsmethode zur Implantatversorgung des zahnlosen Kiefers zu sein, gefolgt von der dCAIS und der rCAIS [Lanis, et al., 2024]. Die sCAIS beinhaltet die vollnavigierte Implantatbohrung und Implantatinsertion mittels Bohrschablone, die auf Grundlage von 3D-Datensätzen entweder mittels Druck oder Fräsung hergestellt werden. Die dCAIS hingegen leitet den Chirurgen während der Osteotomie und der Implantatinsertion mittels Real-Time-Imaging und optischen Trackings durch den chirurgischen Prozess. Bei der sCAIS wird noch zwischen der teil- und vollnavigierten Methode unterschieden. 

Offensichtlich bestehen keine Unterschiede hinsichtlich klinischer und röntgenologischer Parameter zwischen den beiden Methoden, wie im Rahmen einer RCT im Split Mouth-Design über eine kurze klinische Nachbeobachtungszeit von sechs Monaten ermittelt werden konnte [Elkomy, et al., 2021]. 

Unterschiede in der Genauigkeit der Implantatpositionierung wurden in dieser Studie jedoch nicht untersucht. Dabei ist dies der Parameter, welcher in der vorliegenden Studienauswahl der häufigste Untersuchungsgegenstand war. Verglichen wurden häufig die Freihandmethode (FH) jeweils mit der sCAIS oder der dCAIS bzw. die sCAIS mit der dCAIS. 

Hierbei waren stets die apikale, koronale und die Winkelabweichung zwischen der tatsächlichen und der geplanten Implantatposition im Zentrum des Forschungsinteresses. Der Vergleich zwischen einer teil- und vollnavigierten sCAIS und der FH ergab bei der vollständig geführten sCAIS die höchste und bei der FH die geringste Genauigkeit bei der Übertragung der geplanten auf die tatsächliche Implantatposition [Gargallo- Albiol, et al., 2020]. 

Die FH schneidet in Bezug auf die Genauigkeit in allen in dieser Literaturauswahl enthaltenen Untersuchungen schlechter ab als jede andere Methode, die mit einer computergestützten geführten Implantatinsertion arbeitet. 

In älteren systematischen Reviews wurde der dCAIS eine signifikant höhere Genauigkeit attestiert als der sCAIS und der FH [Jorba-García, et al., 2021, Pellegrino, et al., 2021, Schnutenhaus, et al., 2021], während in neueren Übersichtsarbeiten keine signifikanten Unterschiede, zumindest nicht zwischen der dCAIS und der vollständig geführten sCAIS, ermittelt wurden [Aghaloo, et al., 2023, Kang, et al., 2023, Marques-Guasch, et al., 2023].

Die Autoren eines der älteren Reviews empfahlen dennoch auch bei Anwendung der dCAIS einen Sicherheitsabstand von 2,0 mm zu vulnerablen Strukturen, da lineare Abweichungen von mehr als 1,0 mm beobachtet wurden [Jorba- García, et al., 2021]. 

Demgegenüber konnten in zwei Studien auch zwischen einer teil- und vollnavigierten sCAIS keine Unterschiede in der linearen und der Winkelabweichung der Implantate gefunden werden [Orban, et al., 2022, Sarhan, et al., 2021]. 

Offensichtlich beeinflussen die Anzahl noch vorhandener Zähne und die Lückensituation sowie das Herstellungsverfahren der Bohrschablonen die Genauigkeit der Implantatinsertion bei teilbezahnten Patienten mittels CAIS-Systemen [Putra, et al., 2022]. In Schaltlücken wurde beispielsweise eine geringere koronale Abweichung als bei distalen Freiendlücken beobachtet. Konventionell gefertigte Bohrschablonen scheinen in der Genauigkeit CAD/CAM-gefertigten gedruckten Bohrschablonen offensichtlich unterlegen zu sein. In einem weiteren systematischen Review wurde demgegenüber die In vivo- Genauigkeit gefräster Bohrschablonen als genauer eingestuft als die von gedruckten Bohrschablonen [Shi, et al., 2023]. 

Abseits von den Genauigkeitsunterschieden kamen die Autoren zweier RCT zum Schluss, dass die Art des Insertionsprotokolls keinen Einfluss auf die postoperativen klinischen Parameter und die Patientenzufriedenheit hat [Engkawong, et al., 2021, Jorba-García, et al., 2023]. 

Auch in Bezug auf postoperative Komplikationen, Osseointegration und Implantatverlustraten konnten in einer weiteren Untersuchung keine Unterschiede in Abhängigkeit vom Insertionsprotokoll ermittelt werden [Pimkhaokham, et al., 2022]. In der gleichen Übersichtsarbeit kamen die Autoren zum Schluss, dass bislang der wissenschaftliche Nachweis dafür fehlt, dass die Genauigkeit der Implantatinsertion einen Einfluss auf die ästhetischen Ergebnisse der Implantatversorgung hat. 

Bei Einzelimplantatversorgungen und bei der Implantatbehandlung teilbezahnter Patienten führt die Verwendung von CAIS-Systemen offensichtlich zudem nicht zu einer zeitlichen Verkürzung der chirurgischen Eingriffe. Auf den Implantat-Stabilitäts-Quotienten scheint die Art der Insertion ebenfalls keinen Einfluss zu haben [Wei, et al., 2022]. Ein entscheidender Vorteil der schablonengeführten Implantatbehandlung ist offensichtlich die Minimalinvasivität, wenn der Eingriff ohne Lappenbildung und mittels schleimhautgelagerter Bohrschablone durchgeführt wird. 

Während die schleimhautgelagerten Schablonen hierbei als zuverlässige und vorhersagbare Behandlungsoption eingeschätzt werden [Carosi, et al., 2022], wird in anderen Untersuchungen ein negativer Einfluss der Schleimhautlagerung auf die Genauigkeit beschrieben [Shi, et al., 2023]. Grundsätzlich ist festzustellen, dass navigierte Behandlungsprotokolle zu einer signifikant höheren Genauigkeit der Implantatpositionierung führen. 

Allerdings scheint mit Blick auf die fehlenden Unterschiede bei den Überlebensraten, den post- operativen Parametern und der Patientenzufriedenheit die klinische Relevanz dieser Verfahren noch nicht abschließend geklärt zu sein.