Periimplantäre Weichgewebsverluste treten in der Regel bukkal auf und können entzündlicher Natur (Mukositis und Periimplantitis) oder nichtentzündlich bedingt sein. Es gibt nur wenige Angaben zur Prävalenz von periimplantären Weichgewebsdefekten. In einer Querschnittsuntersuchung wurden Prävalenzraten für Weichgewebskomplikationen von 16,9 % genannt, die mehrheitlich auf nicht-entzündliche Ursachen zurückzuführen waren [Romandini, et al., 2021].
In einem aktuellen systematischen Review wurden demgegenüber Prävalenzraten von 0,0 bis 61,0 % angegeben [Sanz-Martín, et al., 2022]. Wie allen entsprechenden Studien der vorliegenden Literaturauswahl entnommen werden kann, ist eine geringe/nicht vorhandene keratinisierte Mukosa (KM) eine der Hauptrisikofaktoren für Weichgewebskomplikationen im Bereich von Implantaten und natürlichen Zähnen. Eine schmale/fehlende KM begünstigt offensichtlich die Plaqueretention und führt in der Folge zu Weichgewebsentzündungen und Knochenverlusten [Monje, et al., 2021]. Daher gilt als gesichert, dass die Wiederherstellung/das Vorhandensein einer ausreichend breiten KM von zentraler Bedeutung für den langfristigen Implantaterfolg ist.
Als weitere Risikofaktoren für das Auftreten von Weichgewebsdehiszenzen wurden in der Literatur ein dünner Phänotyp [Kaddas, et al., 2022, Romandini, et al., 2021, Sanz-Martín, et al., 2022, Stiller, et al., 2015] und zu weit nach bukkal positionierte Implantate angegeben [Kaddas, et al., 2022, Romandini, et al., 2021, Sanz-Martín, et al., 2022, Sanz-Martín, et al., 2020]. Sofortimplantate oder eine gering dimensionierte bukkale Knochenlamelle < 1,0 mm stellten offensichtlich keine Risikofaktoren für die Entstehung von Weichgewebsdehiszenzen dar [Sanz- Martín, et al., 2022].
Zur Deckung periimplantärer Weichgewebsdehiszenzen und zur Verbreiterung der KM stehen verschiedene chirurgische Verfahren zur Verfügung. Diese können mit autologen, allogenen oder xenogenen Transplantaten, dem Einsatz verschiedener Lappen- bzw. Tunnelierungstechniken, Scaffolds, Tissue Engineering oder einer Kombination der genannten Techniken erfolgen. Autologe Verfahren werden am häufigsten mit Bindegewebstransplantaten (Connective Tissue Grafts, CTG) aus dem Tuber/dem harten Gaumen oder freien Schleimhaut-/Gingivatransplantaten (Free Gingival Grafts, FGG) durchgeführt. Diese können alleine oder in Kombination mit einer Kollagenmatrix [Monje, et al., 2021], allogenen Transplantaten (Azelluläre Dermale Matrix, ADM) [Kaddas, et al., 2022] oder speziellen chirurgischen Lappentechniken erfolgen. So führte eine Augmentation mittels CTG in Kombination mit einer Tunnelpräparation der vestibulären Schleimhaut zu guten Ergebnissen bei der Rezessionsdeckung sowie zu einer sehr guten Patientenzufriedenheit [Roccuzzo, et al., 2019].
Wurde die Kombination von CTG und Tunneltechnik mit dem Einsatz koronaler Verschiebelappen (Coronally Advanced Flap, CAF) verglichen, konnten bei CAF allerdings eine signifikant bessere Dehiszenzdeckung, ein größerer Zugewinn an KM und Weichgewebsvolumen sowie ein besseres Ergebnis in Bezug auf die Weichgewebsästhetik erzielt werden [Tavelli, et al., 2023a]. In einer weiteren, aktuellen Untersuchung zur Rezessionsdeckung mit der Kombination aus CTG und CAF und der Behandlung eines zusätzlichen Attachmentverlusts der natürlichen Nachbarzähne führten die Augmentation unter Bildung eines Schleimhautlappens im Bereich der betroffenen Implantate und eines Mukoperiostlappens im Bereich der Nachbarzähne und die Abdeckung des OP-Bereichs und der Implantate mittels einer Fibrinmembran zu einer guten Weichgewebsabdeckung und zu einem Zugewinn an Höhe der Interdentalpapillen [Tavelli, et al., 2023b].
Wurde CTG mit einer xenogenen Kollagenmatrix verglichen (XCM), so konnten in einer Metaanalyse gleichwertige Ergebnisse in Bezug auf den Zugewinn an Schleimhautdicke ermittelt werden [Gargallo-Albiol, et al., 2019]. Der Einsatz von XCM war im Vergleich zu CTG aufgrund des Wegfalls eines zusätzlichen Eingriffs zur Transplantatgewinnung mit geringeren postoperativen Beschwerden und einer signifikant reduzierten Operationsdauer verbunden. Auch bei FGG tritt eine Spendermorbidität ein, die durch den Einsatz von modifizierten Techniken reduziert werden soll. Eine davon ist die sogenannte „Akkordeontechnik“, die dadurch gekennzeichnet ist, dass ein FGG kleinen Umfangs entnommen wird und mittels spezieller Schnitt-Techniken verlängert werden kann. In einer RCT konnten trotz der geringeren Ausdehnung des Spenderareals jedoch keine signifikanten Unterschiede in Bezug auf das postoperative Schmerzniveau und die Dauer der Beschwerden im Vergleich zu konventionellen FGG beobachtet werden [Namadmalian Esfahani, et al., 2021].
Allerdings wurde beim Einsatz der modifizierten FGG eine signifikant größere vertikale Schrumpfung des Transplantats beobachtet, die offensichtlich nicht mit nachteiligen klinischen Konsequenzen verbunden war [Namadmalian Esfahani, et al., 2022]. Beim Vergleich des Einsatzes von FGG und einer XCM zur Verbreiterung der KM konnte in beiden Gruppen ein signifikanter Zugewinn der KM-Breite ermittelt werden, welcher jedoch bei FGG signifikant höher als bei XCM war [Solonko, et al., 2022]. Allerdings waren auch in diesem Fall beim Einsatz von XCM die postoperativen Beschwerden signifikant geringer und die Akzeptanz dieses Verfahrens bei den Patienten größer, obwohl die Operationsdauer sich nicht signifikant zwischen beiden Gruppen unterschied. In einem systematischen Review wurde der Einfluss des Einsatzes apikaler Verschiebelappen (Apically Positioned Flaps, APF) in Kombination mit Weichgewebstransplantaten unterschiedlichen Ursprungs auf die Verbreiterung der KM und die Rezessionsdeckung untersucht [Bassetti, et al., 2017].
Die Kombination von APF mit FGG, CTG oder XCM führte zu den besten Ergebnissen in Bezug auf die Verbreiterung der KM. Die Kombination von CAF mit CTG oder Spaltlappen (Split Thickness Flap, STF) in Kombination mit CTG zeigten gute Deckungsraten der bukkalen Rezessionen. Die Kombination von CAF mit allogenen Transplantaten bzw. STF und XCM führte nicht zu einer wirksamen Rezessionsdeckung.
Die Literatur-Recherche zum Thema finden Sie im PDF (s. unten).