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Fachlicher Nachbericht der IDS 2021

Die Internationale Dental-Schau (IDS) 2021 vom 22. bis zum 25. Sepember hat der ganzen Branche gegeben, was sie jetzt braucht. Pandemiebedingt ein halbes Jahr später als ursprünglich geplant, haben die Teilnehmer nun eine Bestandsaufnahme vornehmen, sich orientieren und vor allem endlich wieder persönlich miteinander sprechen können.

Bildquelle: Koelnmesse

„Wir sind auf der IDS 2021 vom Krisenmodus in den Arbeitsmodus gewechselt“, bewertet Mark Stephen Pace, Vorstandsvorsitzender des VDDI (Verband der Deutschen Dental-Industrie) die Messe. „Denn es war der ideale Ort für eine Standortbestimmung und für die Eruierung von Zukunftschancen. Dabei sind Hygiene und Infektionskontrolle mit der Covid-Pandemie stärker in den Fokus gerückt. Und bei den digitalen Innovationen macht die Dentalbranche noch mehr Tempo und erweist sich als Vorreiter für andere.“

Der Drive in Forschung und Entwicklung manifestierte sich auf der Internationalen Dental-Schau in einem umfassenden Überblick über den Stand der Technik in der Zahnheilkunde. Die Messebesucher konnten dabei eine Reihe attraktiver Neuheiten entdecken.

Zahnärzte in einer medizinischen Schlüsselposition

Die Praxis ist im Zuge der Corona-Pandemie stärker in den Mittelpunkt der allgemeinen Aufmerksamkeit gerückt. Denn zum Beispiel können sich parodontalprophylaktische Maßnahmen positiv auf die Allgemeingesundheit auswirken und im Besonderen das Risiko für schwere Covid-19-Verläufe senken.

Generell zahlt sich die Kernkompetenz der zahnärztlichen Praxis im Bereich Hygiene und Infektionskontrolle jetzt noch mehr aus als in der Vergangenheit. Zu den Bausteinen gehören unter anderem leistungsfähige Saugsysteme zur Aerosol-Reduktion, wie sie auf der IDS präsentiert wurden. Als eine neue Möglichkeit erlebten die IDS-Besucher Kopfhörer mit speziellen, daran befestigten Absaugkanülen. Sie saugen die potenziell keimbelastete Aerosolwolke am Austritt des Patientenmunds ab und verringern die Aerosolbildung im Praxisraum um bis zu 99,9 %. Für die Verminderung von Viren, die bereits in den Patienten eingedrungen sind, wurde auf der IDS eine Studie der Université Claude Bernhard Lyon vorgestellt: Eine Mundspülung kann das Übertragungsrisiko von Covid-19 reduzieren, indem sie die Anzahl der Viren im Mund bereits nach einer einzigen Spülung um 71 % vermindert und das Immunsystem bei der Abwehr einer Infektion unterstützt.

Im klassischen Bereich der häuslichen Prophylaxe zogen einige Zahnbürsten besondere Aufmerksamkeit auf sich, so etwa Schallzahnbürsten mit einem ausgeklügelten Knick von 10° im Bürstenkopf zur Reinigung schwer zugänglicher Stellen.

Die Füllungstherapie wird komfortabler

Einen weiteren klassischen Bereich stellt die zahnärztliche Füllungstherapie dar – aktuell ein ausgesprochen dynamischer Bereich. Zum Beispiel erfuhren die IDS-Besucher mehr über thermoviskose Komposite. Sie sind nach Erwärmung erst fließfähig und lassen sich anschließend sofort modellieren. Nachdem sie zunächst in der Bulkfill-Technik im Seitenzahnbereich zum Einsatz kamen, gibt es neuerdings auch Varianten für ästhetische Frontzahnrestaurationen.

Generell lassen sich immer häufiger direkte Füllungen vornehmen; die Grenze zur Indikation für eine indirekte Restauration werden immer fließender. Wenn eine prothetische Arbeit erstellt werden muss, helfen der Praxis und ebenso dem Labor Frässysteme mit extrem geringem Platzbedarf. Sie können heutzutage dennoch eine hohe Funktionalität aufweisen. Dazu gehören unter anderem leistungsfähige Hochfrequenzspindeln (für Schnelligkeit und Präzision), Schnellspannsysteme (für komfortablen Wechsel von Haltersystemen bei gleichbleibender Präzision) und für anspruchsvolle Aufgaben geeignete Bearbeitungswinkel.

Durch neue, automatisierte Bearbeitungsstrategien steigert die Praxis ganz allgemein ihre Fertigungseffizienz. Die Voraussetzung dafür schaffen auf der IDS vorgestellte Software-Releases, teilweise in Kombination mit neuen Vernetzungen zwischen unterschiedlichen Teil-Workflows. In der Praxis wirkt sich dies auf alle Indikationen und Materialien aus, besonders in den Bereichen „Glaskeramik“ und „Preforms“.

Attraktive Produktneuheiten zeigten sich darüber hinaus in verschiedenen Spezialdisziplinen der Zahnheilkunde.

Digitale Volumentomographie: höchste Auflösung für die Endo

In der Endodontie gewinnt die Digitalisierung der Behandlungsplanung, in Analogie zum bekannten Backward-planning in der Implantologie, an Dynamik. Das beginnt bereits bei der 3D-Diagnostik. Digitale Volumentomatographen mit einem speziellen Endo-Modus ermöglichen jetzt eine besonders detailscharfe Darstellung der Kanalmorphologie .

In der Implantologie wird Backward-planning unter breiter Nutzung digitaler Verfahren immer mehr zur Routine (z.B. Intraoralscanner, Röntgen, CT und weitere bildgebende Verfahren, CAD). Daneben kommen viele Verbesserungen auch in klassischen Bereichen. So fördert etwa die regenerative Plasma-Aktivierung (Bio-RAP) den Osseointegrationsprozess. Unter Einsatz eines geeigneten Geräts lassen sich Kohlenwasserstoffe von Implantat-Oberflächen entfernen. Dadurch vergrößert sich die Oberfläche, die für den Implantat-Knochen-Kontakt (BIC) zur Verfügung steht, und gleichzeitig erhöht sich ihre Hydrophilie.

Bei der Knochenaugmentation vereinfacht sich das Vorgehen, indem jetzt statt zweier Instrumente (Retraktor und Pinzette) zum Festhalten des Lappens ein einziges ausreicht. Und in der Implantatprothetik sorgt neuartiges Multilayer-Zirkonoxid mit einer besonders hohen Lichtreflexion im Halsbereich für ein vitales Aussehen.

In der Kieferorthopädie ergänzen Kaukraftmessungen die klassische Okklusionsprüfung (mit Shimstockfolie oder digitalgestützt). Ein unmittelbares Biofeedback von Bruxerschienen hilft Patienten bei der Vermeidung von Schäden. Positionierungsschienen („Indirect Bonding Trays“) für kieferorthopädische Brackets, deren Positionen digitalgestützt geplant wurden, lassen sich inzwischen aus geeigneten Kunststoffen herstellen. Differenziertere Workflows unter Beteiligung von Labor und Praxis auf der Basis von Digitaltechnik fördern ein noch arbeitsteiligeres Vorgehen.

Aligner: optimierte Kraftverteilung, automatisierte Fertigung

Im Bereich der Aligner-Therapie bekamen die IDS-Besucher für ein breites Spektrum an Zahnfehlstellungen ein neuartiges Zwei-Schienen-Konzept mit transparenten Alignern zu sehen: Pro Behandlungsschritt werden zwei Folienstärken verwendet, um die Kräfte optimal auf die Zähne zu übertragen. Weiche und harte Aligner werden wöchentlich gewechselt und tragen so zu einer schonenden Zahnumstellung bei. Nach vorausgehender digitaler Behandlungsplanung liefert der Anbieter sowohl die Aligner als auch alle Patienten-Informationen als Komplettpaket an die Praxis.

Für die Aligner-Fertigung im zahntechnischen Labor gibt es jetzt stärker automatisierte CAD/CAM-basierte Herstellungsverfahren (Größenordnung: bis zu 1000 Stück pro Tag). Insbesondere hat man die Aufgabe einer zuverlässigen Nachverfolgung jeder Arbeit im Produktionsprozess gelöst: Während dies üblicherweise über die Zuordnung eines Modells (z.B. aufgedruckter Code) erfolgt, läuft es nun über eine permanente Lasermarkierung des Aligners selbst, die direkt im Maschinensystem erfolgt. So bleibt er auch nach der Trennung vom Modell eindeutig zuordnungsfähig. Für hohe Produktionsstückzahlen kann optional sogar ein Robot-System das Zuführen und Entnehmen der vorbereiteten Aligner-Folien selbstständig übernehmen.

Zahntechnik

In der Zahntechnik hat sich ein Nebeneinander von digitalen und gemischt analog-digitalen Workflows etabliert. Welches Verfahren für welches Labor im Einzelfalle das beste ist, unterliegt einem fortlaufenden Wandel. Die Ausdifferenzierung der Möglichkeiten bietet große Chancen für ein immer effektiveres Arbeiten.

In so manchem Fall, den man früher nur mit einer Vollverblendung ästhetisch überzeugend hätte lösen können, bietet sich heute die Verwendung von Rohlingen mit intrinsischen Farbverläufen an. Sie können beispielsweise eine zum Schmelz hin zunehmende Transluzenz aufweisen und gleichzeitig eine hohe Biegefestigkeit mitbringen. So lassen sie sich im Extremfalle bis zu einer 14-gliedrigen Brücke mit zwei Pontics im Front- und Seitenzahnbereich einsetzen. Und für das höchste der Gefühle in puncto Ästhetik bleibt die Vollverblendung nach wie vor eine Option.

Für eine universelle Indikation von Zirkonoxid in der Prothetik erfuhren die IDS-Besucher, wie sich die Oberflächen der Oxidkeramik zu Lithiumdisilikatoberflächen machen lassen – also praktisch zu Glaskeramik. Die Verwandlung erfolgt durch einen Dünnschichtauftrag unter Einsatz eines Konditionierers. Die Zirkonoxid-Innenflächen lassen sich dann leicht verkleben wie Glaskeramik, und den Außenflächen verleiht diese Spezialbehandlung glaskeramische Ästhetik.

Um Ästhetik dreht sich auch vieles in der digitalen Totalprothetik. Denn bisher war es doch so: Gedruckten oder gefrästen Zähnen fehlte sie einfach. Und anatomisch geschichtete Konfektionszähne bedurften stets einer aufwendigen Reinigung, Konditionierung und basalen Anpassung an die digital konstruierten Prothesenbasen. Damit war aber der vom digitalgestützten Vorgehen erhoffte Effizienzgewinn schon wieder dahin. Auf der IDS sahen die Besucher ein Gegenmittel: einen für die systemoffene digitale Totalprothetik optimierten Konfektionszahn. Der lässt sich einfach aus der Verpackung herausnehmen und einkleben.

Bei so vielen digitalen Verfahren und Tools ist es schwer, immer und überall den Durchblick zu behalten. Doch mit einem neuen Konfigurator für CAD/CAM-Maschinen wird die Zusammenstellung des Equipments für das eigene Labor so einfach wie die Auswahl des Basismodells und der Extras beim Autokauf. Grundlage ist das vorhandene fundierte zahntechnische Produktions-Know-how – der Rest geht mit Hilfe des Konfigurators wie von selbst.

Künstliche Intelligenz: möglicherweise das nächste große Ding

Als ein Zukunftsfeld deutete sich auf der IDS 2021 die sogenannte Künstliche Intelligenz (KI) an. Ein Beispiel stellt der weltweit erste Zwei-Slot-Scanner mit RFID-Technologie dar. Neben der schnellen Paralleldigitalisierung von gleich zwei Speicherfolien bietet er verschiedene KI-Zusatzfunktionen. Ein KI-Feature überprüft zum Beispiel die Orientierung intraoraler Röntgenbilder anhand der dargestellten Anatomie und korrigiert diese im Bedarfsfall – eine spürbare Erleichterung! Denn das muss die Assistenz zurzeit manuell und üblicherweise mehrmals am Tag erledigen.

Darüber hinaus steht bei aktuellen zahnmedizinischen KI-Projekten die Auswertung von Röntgenbildern ganz im Mittelpunkt. Perspektivisch denkt man aber bereits daran, die bestehende Software als Plattform-Technologie zu nutzen. Dabei würden beispielsweise andere Bilddaten oder auch klinische Informationen über den Patienten miteinbezogen. Langfristig könnte dieser Weg von der Diagnostik über die Prognostik bis hin zur KI-Unterstützung beim Fällen von Therapie-Entscheidungen führen.

So fanden sich auf der IDS viele Verfahren, aktuelle Produktinnovationen und Ausblicke auf die Zukunft. Es lohnte sich, darüber ins Gespräch zu kommen – und dies endlich wieder persönlich und auf internationaler Ebene. Für die fachliche Orientierung, für die Forschung und Entwicklung und für die Feinjustierung der vielen Praxen und Labore war diese IDS unerlässlich, wahrscheinlich sogar die wichtigste seit vielen Jahren.

Auch die Messe selbst hat sich weiterentwickelt und mit dem Format der Hybridmesse ihren Besuchern einen attraktiven Mehrwert geboten. Gerade die technikaffinen Mitglieder der Dentalfamilie haben die digitalen Tools als Ergänzung zur Präsenzveranstaltung in den Hallen zu nutzen gewusst – auch dies wohl als Vorreiter für so manche andere Branche.

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