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Die Bedeutung der Implantatoberflächen

Bereits in pip 6/2018 wurde die Bedeutung der Implantatoberfläche u. a. für die Osseointegration vorgestellt. Zum damaligen Zeitpunkt wurde festgestellt, dass die zur Verfügung stehende Studienliteratur mehrheitlich aus der Grundlagenforschung kommt und vornehmlich aus In vitro-Untersuchungen und tierexperimentellen Studien besteht. 

Die meisten zu diesem Thema vorliegenden systematischen Übersichtsarbeiten basierten daher hauptsächlich auf diesen beiden Studientypen. Fast sechs Jahre später hat sich – trotz einer Vielzahl an Publikationen – an der Studienlage wenig geändert. Die vorliegende Literaturauswahl präsentiert in der Hauptsache systematische Übersichtsarbeiten, welche den aktuellen Wissensstand zur Bedeutung der Implantatoberfläche vorwiegend auf der Datenbasis präklinischer Studien wiedergeben.

Die Studien wurden in der großen Mehrzahl mit Implantaten oder Prüfkörpern aus Titan im In vitro- oder Tiermodell durchgeführt. Einige wenige erfolgten mit Implantaten aus Zirkonoxid. Oberflächenmodifikationen, die häufig auch als Biofunktionalisierung oder Funktionalisierung bezeichnet werden, haben die primären Zielsetzungen, die Biokompatibilität von Dentalimplantaten – insbesondere des inerten Werkstoffs Titan – zu verbessern, indem durch die Schaffung hydrophiler Oberflächeneigenschaften die Zelladhäsion angeregt wird. Allgemein wird bei der Oberflächenbearbeitung nach ablativen, additiven und chemischen Verfahren, Bestrahlungen, Plasmabehandlungen und Beschichtungen unterschieden. Bei den ablativen und additiven Verfahren wird u. a. die Oberflächenrauigkeit gesteuert, welche die Zelladhäsion fördern und gleichzeitig einer Plaqueanlagerung entgegenwirken soll. 

In einem systematischen Review konnten keine signifikanten Unterschiede zwischen glatten und rauen Oberflächen in Bezug auf die Plaqueaffinität beobachtet werden [Scheeren Brum, et al., 2021]. Zwischen Implantaten mit sandgestrahlten, säuregeätzten und zusätzlich photofunktionalisierten und somit hydrophilen Oberflächen konnten im Vergleich zu nur gesandstrahlten, säuregeätzten (SLA) Oberflächen in einer RCT keine Unterschiede in der Primär- und Sekundärstabilität beobachtet werden [Barbosa, et al., 2021]. Auch in einer weiteren Übersichtsarbeit konnten keine signifikanten Unterschiede zwischen diesen beiden Oberflächenarten sowohl in Bezug auf die Implantatstabilität als auch bei den Überlebensraten ermittelt werden [Almassri, et al., 2020]. Wurde hingegen die SLA-Oberfläche mittels additiver Verfahren mit Kalzium angereichert, führte dies in den ersten vier Wochen nach Implantatinsertion – und somit bereits in der frühen Einheilphase – zu einem signifikant erhöhten BIC (Knochen-Implantat-Kontakt) im Vergleich zu einfachen SLA- und maschinierten Oberflächen.

Nach sechs Wochen waren in den beiden SLA-Gruppen keine Unterschiede mehr messbar, während der BIC in der Gruppe mit maschinierter Oberfläche signifikant geringer war [Makary, et al., 2023]. Hydrophile SLA-Oberflächen, herstellerseitig auch als SLActive-Oberflächen bezeichnet, hatten im In vitro-Experiment im Vergleich zu SLA-Oberflächen 

einen signifikanten Einfluss auf die Differenzierung von antiinflammatorisch wirksamen M2-Makrophagen. Sie konnten somit die Immunantwort des Wirtes positiv beeinflussen, wie ein weiterer systematischer Review ergab [Donohoe, et al., 2023]. Im Bereich des Implantathalses führt eine maschinierte Oberfläche zu einem signifikant schlechteren krestalen Knochenerhalt und zu signifikant erhöhten Sondierungstiefen im Vergleich zu laserstrukturierten Oberflächen [Huraib, et al., 2023, Koodaryan und Hafezeqoran, 2021]. Interessanterweise jedoch zeigten maschinierte Implantatoberflächen bei einer Ligatur-induzierten Periimplantitis in tierexperimentellen Studien geringere Knochenverluste im Vergleich zu anderen Implantatoberflächen [Garaicoa-Pazmino, et al., 2021]. Bei Oberflächenbeschichtungen mit Trikalziumphosphat oder Hydroxylapatit konnten im Tierexperiment keine Unterschiede auf den BIC zu konventionellen unbeschichteten Implantaten mit rauer Oberfläche beobachtet werden [Damerau, et al., 2022, López-Valverde, et al., 2021a]. In einer anderen Übersichtsarbeit gingen die Autoren im Gegensatz dazu von einer signifikant besseren Osseointegration von Hydroxylapatit-beschichteten Titanimplantaten aus [Neto, et al., 2023]. 

Bone Morphogenetic Protein (BMP) soll sich am Besten als Beschichtung eignen, um die Osseointegration von Implantaten in den frühen Einheilphasen zu fördern [López-Valverde, et al., 2022]. Chitosan ist ein natürliches Polysaccharid, das aus den Schalen von Krustentieren gewonnen wird. Dem Material wird eine verbesserte Osseointegration von Titanimplantaten nach Funktionalisierung nachgesagt [López-Valverde, et al., 2021b]. Beschichtungen von Titanimplantatoberflächen mittels Bisphosphonate können positive Auswirkungen auf das In vitro-osteogene Verhalten von Osteoblasten haben [Wehner, et al., 2020]. Magnesiumhaltige (Mg) Beschichtungen fördern offensichtlich die Zelladhäsion und die osteogene Differenzierung. 

Dies wird auf die größere Oberflächenrauigkeit durch den Zusatz von Mg-haltigen Beschichtungen zurückgeführt, was sich vermutlich positiv auf die Osseointegration des Implantats auswirkt [Wang, et al., 2020]. Offensichtlich führen bestimmte Oberflächenbeschichtungen, die Porengrößen von > 700 Mikrometern enthalten, zu einer besseren Vaskularisierung als kleinere Poren und somit zu einer verbesserten Knochenneubildung [Van den Borre, et al., 2022]. Graphenbeschichtungen scheinen die Osseointegration zu fördern und eine antimikrobielle Wirkung zu haben [Silveira, et al., 2023]. Die Einarbeitung von Zink in TiO2-Beschichtungen auf Titanimplantaten scheint zu einer geringeren bakteriellen Aktivität zu führen [Silva Lima Mendes, et al., 2022]. Bestrahlungen mittels Laser haben u. a. eine besseren Haftung von Beschichtungen und eine Veränderung der Oberflächeneigenschaften von Titan in Bezug auf dessen Benetzbarkeit zur Folge [Simões, et al., 2023]. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass aufgrund der inkonsistenten Ergebnisse und der hohen Anzahl präklinischer Studien der klinische Zusatznutzen vieler Oberflächenmodifikationen derzeit nicht deutlich erkennbar ist. 

Die Literatur-Recherche zum Thema