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Keramik in der Implantologie

Aufgrund ihrer Biokompatibilität und ihrer mechanischen Eigenschaften galten Titanimplantate sehr lange als das Material der Wahl in der dentalen Implantologie. Allerdings ist mittlerweile bekannt, dass Titan bei bestimmten Patienten zu Empfindlichkeitsreaktionen führen kann. Die Begünstigung allergischer Reaktionen wird derzeit diskutiert, gilt jedoch als nicht sicher erwiesen. In ästhetischer Hinsicht ist Titan insbesondere im Frontzahnbereich aufgrund eines häufigen Grauschimmers im Bereich der marginalen Gingiva problematisch [Gil, et al., 2017]. Seit mehreren Jahren rückt daher Zirkonoxid als Alternative mehr in den Fokus der Wissenschaft und der Anwender.

Erste Versuche mit Implantaten aus Aluminiumoxidkeramik in den 1980er- Jahren waren jedoch nicht sehr erfolgreich, was dazu führte, dass diese in den frühen 1990er-Jahren wieder vom Markt genommen wurden. Innerhalb der folgenden fast 30 Jahre konnten jedoch durch konsequente Grundlagenforschung signifikante Weiterentwicklungen und Verbesserungen keramischer Werkstoffe zum Einsatz in der Implantologie erzielt werden [Siddiqi, et al., 2017]. Zirkonoxid – und hier ist insbesondere das Yttrium-stabilisierte polykristalline tetragonale Zirkonoxid (Y-TZP) gemeint – scheint aufgrund seiner mechanischen, biologischen Eigenschaften sowie seiner offenbar überlegenen Ästhetik eine gangbare Alternative zu Titan darzustellen. Neben der Ästhetik werden in der Literatur der Removal Torque (RTQ) sowie der Bone to Implant Contact (BIC) untersucht und zur Bewertung der Osseointegration der Implantate herangezogen.

Die Beurteilung der Osseointegration von Implantaten erfolgt aufgrund humanethischer Limitationen in erster Linie in tierexperimentellen Studien. Zur Beurteilung der Biokompatibilität dienen meistens Weichgewebsparameter und die Remodellation des krestalen Knochenlevels. Dort konnten keine materialbedingten Unterschiede zwischen Zirkonoxid- und Titanimplantaten festgestellt werden [Manzano, et al., 2014, Pieralli, et al., 2018, Siddiqi, et al., 2017]. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommen die Autoren eines systematischen Reviews. Dort waren bei maschinierten Implantatoberflächen keine signifikanten materialbedingten Unterschiede zu beobachten [Hafezeqoran und Koodaryan, 2017]. Bei Zirkonimplantaten mit angeätzter Oberfläche konnte sogar ein signifikant besserer BIC ermittelt werden als bei Titanimplantaten.

In klinischen Humanstudien werden mittlere Überlebens- und Erfolgsraten sowie die Reaktion des Hart- und Weichgewebes als funktionelle Kriterien zur Beurteilung der Materialeigenschaften verwendet. Eine aktuelle Übersichtsarbeit bescheinigt Implantaten aus Zirkonoxid gute biokompatible und mechanische Eigenschaften, die im Vergleich zu Titanimplantaten zu besseren Weichgewebsreaktionen und ästhetischeren Ergebnissen sowie einer ähnlich guten Osseointegration führten [Sivaraman, et al., 2017]. Bezüglich der krestalen Knochenlevel und der kumulativen Überlebensraten führten Zirkonoxidimplantate ebenfalls zu ähnlichen Ergebnissen wie Titanimplantate [Payer, et al., 2015, Pieralli, et al., 2017]. Zu einem anderen Ergebnis kommt ein systematischer Review aus 2015. In fünf von insgesamt nur 13 Studien, welche die Einschlusskriterien erfüllten, wurden bei Zirkonoxidimplantaten im Vergleich zu Titanimplantaten signifikant höhere krestale Knochenverlustraten beobachtet [Vohra, et al., 2015].In einer randomisiert kontrollierten klinischen Studie (RCT) wurde bei Zirkonoxidimplantaten ebenfalls eine signifikant höhere krestale Knochenverlustrate als bei Titanimplantaten beobachtet [Osman, et al., 2014]. Auch in Bezug auf Überlebens- und Erfolgsraten schnitten Zirkonoxidimplantate in zwei weiteren Übersichtsarbeiten offensichtlich schlechter ab als Titanimplantate, wie zwei weitere Reviews ergaben [Depprich, et al., 2014, Elnayef, et al., 2017]. Das Material hatte auf die Implantatüberlebensraten und die prothetische Nachsorge bei auf einteiligen Implantaten fixiertem totalem Zahnersatz keinen Einfluss, wie eine weitere RCT ergab. Nach einem Jahr konnten bei Zirkonoxid- und Titanimplantaten mit kugelförmigen oder individuell angefertigten Attachments ähnlich geringe Verlustraten sowie eine vergleichbar hohe Anzahl von Reparaturereignissen und eine entsprechend niedrige prothetische Erfolgsrate beobachtet werden [Osman und Ma, 2014].

Zwischen einteiligen und zweiteiligen Zirkonoxidimplantaten waren über einen vierjährigen Beobachtungszeitraum keine Unterschiede in Bezug auf das krestale Knochenlevel zu beobachten [Paolantoni, et al., 2016]. Im Gegensatz dazu waren bei einteiligen Implantaten höhere Misserfolgsraten und ein größerer Verlust krestalen Knochens bei Zirkonoxidimplantaten feststellbar [Siddiqi, et al., 2015]. In einer kontrollierten klinischen Studie konnte auf Titan- und Zirkonoxidoberflächen eine gleichermaßen geringe Kolonisierung mit parodontalpathogenen Bakterien ermittelt werden, die sich materialbedingt nicht signifikant unterschied [Siddiqi, et al., 2016]. Im Gegensatz dazu wurde in einem systematischen Review eine geringere Anhaftungstendenz von Mikroorganismen auf Zirkonoxidimplantaten ermittelt [Prithviraj, et al., 2012]. Auch auf Abutments aus Zirkonoxid besteht eine signifikant geringere Bakterienkolonisierung, wie einer RCT in einem In vivo-/Crossover-Design beobachtet wurde.

So war bei gegossenen und maschinierten Titanoberflächen eine signifikant höhere Anzahl Mikroorganismen messbar als auf Zirkonoxid. Dies ist insoweit von klinischer Relevanz, als dass die bakterielle Kolonisierung sich nachteilig auf die Integrität der Weichgewebsmanschette an der Durchtrittsstelle des Implantats in die Mundhöhle auswirken kann und die Entstehung periimplantärer Entzündungen begünstigt [Nascimento, et al., 2014]. In Bezug auf Weichgewebsparameter wie Rezessionen, Sondierungstiefen und Blutung bei Sondierung konnten in systematischen Übersichtsarbeiten und RCT keine statistisch signifikanten Unterschiede zwischen Abutments aus Zirkonoxid und Titan ermittelt werden [Ferrari, et al., 2015, Linkevicius und Vaitelis, 2015]. Allerdings konnte bei Versorgungen mit Implantaten und Abutments aus Zirkonoxid ein besserer Pink Esthetic Score erzielt werden als bei Versorgungen aus Titan. Die besseren ästhetischen Ergebnisse werden von weiteren Studien bestätigt [Carrillo de Albornoz, et al., 2014, Cosgarea, et al., 2015, de Medeiros, et al., 2013].

Während daher Zirkonoxid im ästhetisch sichtbaren Bereich als Restaurationsmaterial favorisiert wird, wird in einer Übersichtsarbeit aufgrund der fehlenden Langzeitstudien der Einsatz von Zirkonoxidabutments bei Seitenzahnversorgungen derzeit immer noch als fraglich eingestuft [Vechiato-Filho, et al., 2016]. Auch bei Zirkonoxidimplantaten ist aufgrund der aktuell verfügbaren Evidenz eine endgültige Aussage zum Langzeit- verhalten von Zirkonoxid und zur Eignung dieses Materials als gangbare und gleichwertige Alternative zu Implantaten aus Titan nicht möglich [Apratim, et al., 2015, Hashim, et al., 2016, Siddiqi, et al., 2017, Vechiato-Filho, et al., 2016].

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