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Messung der Implantatstabilität

Eine Kurz & Schmerzlos Studie 

Der durch Brånemark geprägte Begriff der Osseointegration beschreibt den direkten, funktionellen und strukturellen Kontakt zwischen Knochen und Implantatoberfläche. Zentrale Voraussetzung für eine langzeitstabile Verankerung des Implantats ist der innige Verbund zwischen Implantat und Knochen. Die Ermittlung der Implantatstabilität ist ein daher ein wichtiger Parameter, welcher die Vorhersagbarkeit des Behandlungserfolgs ermöglicht. Zur Messung der Implantatstabilität wurden verschiedene invasive und nicht-invasive Methoden entwickelt. 

Als gängigste, nicht-invasive Verfahren kommen u. a. Klopfschallmessungen, Messungen des Insertionstorques (IT), die Resonanzfrequenzanalyse (RFA) sowie die Messung des Dämpfungsvermögens (damping capacity) mit Periotest (PT) klinisch zur Anwendung. Die RFA wurde Mitte der 1990er-Jahre von der Arbeitsgruppe um Meredith entwickelt [Meredith, et al., 1996] und hat sich in den letzten Jahren in der Implantologie als gängigste Messmethode etabliert [Bural, et al., 2020]. Bei der RFA wird mit Schallköpfen, welche in die Implantatkörper eingeschraubt werden, das Biegemoment des Implantats elektronisch oder magnetisch aufgezeichnet. Die Resonanzschwingungen werden durch die Messgeräte in Hertz umgerechnet und anschließend als Implantat-Stabilitätsquotient (ISQ) in einer Skala von 1-100 ausgegeben. 

Der Wert 100 stellt die höchstmögliche Stabilität des Implantats dar. Der ISQ bildet dabei die Steifigkeit des Implantat-Knochen-Interfaces ab und wird von einigen Autoren als signifikanter Korrelationsparameter für die Knochen-Implantat-Kontaktrate (Bone-to-Implant Contact Ratio) betrachtet [Degidi, et al., 2010]. Seit Anbeginn der RFA-Messungen kam das Osstell-Gerät zum Einsatz. Seit 2015 ist mit dem Penguin RFA ein weiteres Gerät für die RFA-Messungen auf dem Markt. 

In vitro-Experimente zeigten, dass beide Geräte nur dann zuverlässige Daten liefern, wenn die Implantate, an welchen Messungen durchgeführt werden, in Materialien mit einer hohen 

Steifigkeit eingebracht wurden [Buyukguclu, et al., 2018]. Die Autoren dieser Studie bescheinigten dem Osstell-Gerät dabei eine bessere Zuverlässigkeit bei der Wiedergabe der Messwerte als dem Penguin-Gerät, während in anderen Studien keine signifikanten Unterschiede [Becker, et al., 2018] bzw. eine hohe Korrelation der Messungen beobachtet wurden [Brouwers, et al., 2021, Herrero-Climent, et al., 2019]. In der Literatur sind eine ganze Reihe Hinweise zu finden, dass bestimmte Parameter die Messergebnisse beeinflussen können. So scheint es bei der Ausrichtung des Schallkopfs im Rahmen der RFA keinen eindeutigen Konsens zu geben. Im In vitro-Versuch hatte das manuelle Einsetzen im Vergleich zum maschinellen Anziehen der Schallköpfe einerseits keinen signifikanten Einfluss auf die Messung des ISQ mittels Osstell [Kästel, et al., 2019]. 

Eine andere Untersuchung ergab, dass bei der Osstell-Messung die Schallköpfe mit einem definierten Drehmoment von 10,0 Ncm eingesetzt werden mussten, um Messungenauigkeiten zu vermeiden [Pelegrine, et al., 2020]. Da bei Penguin-Geräten ein Drehmoment von 5,0 Ncm ausreicht, können die Schallköpfe dort auch manuell angebracht werden. 

In Bezug auf die geeignete Messrichtung konnte in klinischen Studien kein signifikanter Unterschied in den Messwerten mittels Osstell und Penguin [Brouwers, et al., 2021] oder Osstell als alleiniger Messmethode [Sim und Lang, 2010] beobachtet werden. In anderen Untersuchungen hingegen wurde beim Osstell-Einsatz die Standardisierung der Messrichtung senkrecht zum Alveolarkamm (bukko-oral) empfohlen, um die Messergebnisse nicht zu beeinflussen [Veltri, et al., 2007]. 

Auch hinsichtlich der Austauschbarkeit der Schallköpfe zwischen Osstell und Penguin gibt es keine allgemeingültige Empfehlung. Autoren einer In vitro-Studie gingen von einer Austauschbarkeit der Schallköpfe ohne Beeinträchtigung der Messqualität aus [Bural, et al., 2020], während in anderen Untersuchungen die gerätespezifischen Schallköpfe verwendet werden mussten, da ansonsten die Wiedergabegenauigkeit des ISQ beeinträchtigt

wurde [Herrero-Climent, et al., 2019]. 

In einigen Untersuchungen wurde die RFA als geeigneter Vorhersageparameter für erhöhte Risiken eines Implantatverlustes bezeichnet [Andersson, et al., 2019, Bafi jari, et al., 2019].

In einer systematischen Übersichtsarbeit hingegen wurde darauf hingewiesen, dass Messungen der Implantatstabilität mittels RFA durch zahlreiche Faktoren beeinflusst werden können, und dass die RFA als valides Messverfahren umstritten ist [Manzano-Moreno, et al., 2015]. Offensichtlich wird weder der Grad der Osseointegration [Liu, et al., 2021], noch beispielsweise der Einfluss der Länge und der Durchmesser von Implantaten mittels RFA hinreichend erfasst und abgebildet [Khouja, et al., 2019]. Beide Autorengruppen schlugen daher die Analyse der Torsionsstabilität als alternatives Messverfahren vor. In anderen Untersuchungen hingegen konnten signifikante Korrelationen der Länge [Aparicio, et al., 2006, Sim und Lang, 2010] oder des Durchmessers [Andersson, et al., 2019, Diker, et al., 2021] und den RFA-Messungen ermittelt werden.

Zusammenhänge zwischen IT, ISQ und RFA sind ebenfalls noch nicht abschließend erwiesen. Während in einem systematischen Review keine Beziehungen zwischen IT und RFA erkennbar waren [Lages, et al., 2018], zeigten die Ergebnisse zweier Metaanalysen einen signifikanten Zusammenhang zwischen den beiden Messverfahren [Aparicio, et al., 2006, Cehreli, et al., 2009]. Auch in Bezug der Korrelation bzw. der Übereinstimmung von Messungen mittels PT und RFA sind die wissenschaftlichen Erkenntnisse sehr heterogen. Einerseits wurde eine signifikante negative Korrelation beider Messverfahren bei der Ermittlung der Primärstabilität beobachtet [Marwa Abdel, et al., 2020]. Andererseits kam es in einer anderen Untersuchung in weniger als der 

Hälfte der Fälle zu übereinstimmenden Ergebnissen beider Messverfahren [Andreotti, et al., 2017]. 

Abschließend ist festzustellen, dass die Messung der Implantatstabilität als alleiniges Verfahren aufgrund der heterogenen Studienlage und der eingeschränkten Studienqualität grundsätzlich als nicht ausreichend eingestuft wird. Als zusätzlicher Parameter zur Vorhersage des Implantaterfolgs und der Osseointegration kann die Messung derzeit jedoch sehr hilfreich sein [Chen, et al., 2019].

Die Literatur-Recherche zum Thema finden Sie im PDF (s. unten).