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EU-Kommission und Gesundheitsschutz

Ende 2020, als dieser Beitrag geschrieben wurde, haben gerade die ersten Corona-Impfungen begonnen, und es stellte sich die Frage, ob die Impfstoffeinkaufspolitik der EU-Kommission sachgerecht und vernünftig war.

Wenn das die einzige Frage wäre, die man der EU- Kommission mit Rücksicht auf den Gesundheitsschutz stellen müsste, wäre dies keinen Beitrag in pip wert. Aber leider ist das Handeln der EU-Kommission in der Coronakrise nur ein Beleg für ein m. E. mittlerweile durchaus systematisch zu nennendes Versagen der EU in der Gesundheitspolitik. Das Gesundheitswesen ist eigentlich die Domäne der Mitglied- staaten und nicht der EU-Kommission. Das aber wird in Brüssel nicht wirklich akzeptiert. Es wird über zahllose Umwege versucht, in die Domäne der Mitgliedstaaten einzubrechen, sei es im Arzneimittelbereich, der Medizinprodukteversorgung, der grenzüberschreitenden Behandlung oder dem Datenschutz.

Vor einem Jahr widmete ich mich in einem Beitrag für pip der damals anstehenden Geltung der Medizinprodukteverordnung (MDR) und den Auswirkungen von Covid-19. Heute, ein Jahr später, ist in Sachen MDR derselbe Stand erreicht wie vor einem Jahr. Es gibt nach wie vor eine angesichts der Aufgabenstellungen der MDR viel zu geringe Anzahl von nach MDR zertifizierten Benannten Stellen (genau: 18, für Dezember 2019 hatte die EU-Kommission mal 20 angekündigt). Die um ein Jahr verschobene Verpflichtung für die unter die neue Klasse I r fallenden Medizinprodukte (wiederaufbereitbare chirurgische Instrumente), die nur noch auf den Markt gebracht werden zu dürfen, wenn sie vor- her nach MDR zertifiziert, also mit einem CE-Kennzeichen versehen wurden, steht erneut an und kann natürlich erneut nicht erfüllt werden. Das liegt nicht am Unwillen der Hersteller (in diesem Fall überwiegend kleine bis kleinste Handwerksbetriebe, denen eine Zertifizierung redlicherweise nicht zugemutet werden darf), sondern an den Anforderungen, welche die EU-Kommission in die MDR schrieb.

Man hätte annehmen können, dass die EU-Kommission aus dem Brexit-Dilemma tiefergehende Lehren zöge als Unverständnis für die Haltung der Briten, die ihre uneingeschränkte Regelungshoheit über ihr Gemeinwesen zurückhaben wollten. Die MDR ist ein das Gesundheitswesen betreffendes Beispiel für eine Regelungsdichte, die man besser als Regelungswut bezeichnete, die an den Bedürfnissen des Gesundheitswesens komplett vorbeigeht.

Ein anderes Beispiel ist die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Das Mantra, dass Datenschutz und Gesundheitsschutz keine Gegensätze sind, wurde spätestens durch die Corona-Pandemie widerlegt. Man muss sich nur an das Scheitern der von der Politik geweckten Erwartungen an die Corona-Warn-App erinnern. Mit Berufung auf die DSGVO wird das Gesundheitswesen behindert, aber auch Unterricht und Studium und vieles mehr, ohne dass die naheliegende Frage nach der praktischen Konkordanz gestellt wird: Dient der Datenschutz dem Menschen (und ist dann seinen Bedürfnissen unterzuordnen) oder der Mensch dem Datenschutz? Wollen wir Infektionsketten lückenlos und automatisch verfolgen oder nur, soweit dies Papier, Bleistift und Fax dem öffentlichen Gesundheitsdienst zulassen und die Warn-App-Nutzer erlauben? Begnügen wir uns damit, medizinischen Erkenntnissen aus Registerstudien im Ausland zu folgen oder wäre es notwendig, Registerstudien auch in Deutschland uneingeschränkt durchführen zu können?

Die EU-Kommission hätte allen Anlass innezuhalten, ihre Tendenz zur bürokratischen Verwaltung des Gesundheitswesens zu beenden, die Mitgliedstaaten im Gesundheitswesen zu unterstützen und sie nicht zu bevormunden. DSGVO und MDR müssen auf den Prüfstand!

Kontakt Autor

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht, Fachanwalt für Sozialrecht, Justiziar des BDIZ EDI
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