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Antiresorptiva

Die epidemiologische Relevanz einer Antiresorptiva-assoziierten Nekrose der Kiefer wird durch die verfügbaren Daten widergespiegelt. Schätzungsweise 200 Millionen Frauen leiden weltweit unter Osteoporose. Krebserkrankungen wie Brust- und Prostatakrebs haben derzeit die höchste geschlechtsabhängige Inzidenzrate (Beth-Tasdogan, et al., 2017). Zur Behandlung dieser Erkrankungen und anderer Entitäten wie u. a. Morbus Paget, MultiplesMyelom oder Osteogenesis Imperfecta werden Antiresorptiva bzw. antiangiogenetisch wirksame Medikamente eingesetzt (Beth-Tasdogan, et al., 2017). Davon zu unterscheiden ist u. a. die Beigabe oder Beschichtung von Implantaten mit Bisphosphonaten. Dies wurde in einer ganzen Reihe tierexperimenteller Studien (Alenezi, et al., 2018, Ghanem, et al., 2017, Kellesarian, et al., 2017, Lozano-Carrascal, et al., 2017, Najeeb, et al., 2017, Vohra, et al., 2014) und Humanstudien (Abtahi, et al., 2016) untersucht und scheint zu einer verbesserten Osseointegration zu führen.Bisphosphonate und monoklonale Antikörper (Denosumab) werden zur primären oder sekundären Osteoporosebehandlung und Tumortherapie eingesetzt. Denosumab verhindert eine Resorption des Knochens, indem die Regulation der Osteoklastenaktivität durch den Receptor Activator Nuclear Factor-kappa B Liganden (RANKL) inhibiert wird (Boquete-Castro, et al., 2016). Bisphosphonate wie Alendronat oder Zoledronat verhindern eine Knochenresorption über eine Bindung an das Hydroxylapatit des Knochens und senken damit ebenfalls die Osteoklastenaktivität (Beth-Tasdogan, et al., 2017). Bisphosphonat-assoziierte Osteonekrosen des Kiefers (ONJ) wurden im Jahr 2003 erstmals beschrieben. Die Inzidenz einer und somit das Risiko für die Ausbildung einer ONJ ist bei Patienten unter Tumortherapie deutlich höher als bei Osteoporosepatienten.

In der Literatur werden, in Abhängigkeit von der jeweiligen Ursache, verschiedene Bezeichnungen für die ONJ verwendet. Unterschieden werden u. a. die BRONJ bei Bisphosphonat-assoziierten Osteonekrosen, die DRONJ bei Denusomab-assoziierten Nekrosen oder die MRONJ bzw. ARONJ, wenn von einer Medikamenten- bzw. Antiresorptiva-assoziierten Osteonekrose des Kiefers gesprochen wird. Die Amerikanische Gesellschaft für Oral- und Mund-, Kiefer-, Gesichtschirurgie empfiehlt die Verwendung des Begriffs MRONJ (Beth-Tasdogan, et al., 2017). Die Ursachen und exakten Mechanismen, die zur Entstehung einer ONJ führen, sind bislang noch ungeklärt. Laut aktueller S3-Leitlinie der AWMF und dem aktuellen systematischen Review der Cochrane Collaboration handelt es sich um eine Antiresorptiva-assoziierte Osteonekrose des Kiefers, wenn der Kieferknochen über einen Zeitraum von mehr als acht Wochen freiliegt, ohne dass eine Bestrahlung stattgefunden hat und ohne dass eine Metastasierung im Kieferknochen zu beobachten ist (Beth-Tasdogan, et al., 2017). In beiden Publikationen werden vier Stadien beschrieben, bei welchen von einer MRONJ auszugehen ist. Stadium 0: Keine spezifischen Anzeichen für eine Kiefernekrose, jedoch bereits Symptome vorhanden, Stadium I: Exponierter Knochen ohne Infektion, Stadium II: Exponierter Knochen mit Infektion, Stadium 3: Exponierter Knochen mit Infektion sowie pathologischen Frakturen, Fistelbildungen und knöchernen Veränderungen bis in den Sinus maxillaris oder die Unterkieferbasis.

RISIKOFAKTOREN: Grundsätzlich besteht Grund zur Annahme, dass jede chirurgische Intervention bei Patienten unter antiresorptiver Therapie zur Entstehung einer MRONJ führen kann (Khan, et al., 2015). Als Risikofaktoren werden u. a. Zahnextraktionen, eine unzureichende Mundhygiene und unzureichend adaptierte Prothesen beschrieben (Boquete-Castro, et al., 2016, Gaudin, et al., 2015, Khan, et al., 2015, Utreja, et al., 2013, Walter, et al., 2016). Bei Denusomab-Gabe scheinen die Risiken für Patienten mit Prostata-Ca eine MRONJ auszubilden höher zu sein als bei der Administration von Bisphosphonaten (Qi, et al., 2014). Bei parenteraler Gabe (Graves, et al., 2016, Kuhl, et al., 2012) sowie bei längerer Administration von Antiresorptiva (Aljohani, et al., 2017) bzw. in Abhängigkeit von der Häufigkeit der Gabe steigen die Risiken, dass sich eine MRONJ entwickelt.

PRÄVENTION: Eine perioperative Antibiotikaprophylaxe und ein dichter Wundverschluss können eine MRONJ nach einer chirurgischen Intervention im Bereich der Kiefer verhindern (Poxleitner, et al., 2017, Walter, et al., 2016). Auch regelmäßige zahnärztliche Kontrollen (Beth-Tasdogan, et al., 2017), eine vorherige Zahnsanierung (Aparecida Cariolatto, et al., 2018) und eine verbesserte Mundhygiene (Poxleitner, et al., 2017) scheinen effektiv zu einer MRONJ-Prävention beizutragen.

THERAPIE: Gut dokumentierte Therapieansätze sind derzeit nicht verfügbar und es mangelt an klinischen Studien und RCT mit einer ausreichenden Zahl an Patienten (Lopez-Jornet, et al., 2016, Rollason, et al., 2016, Silva, et al., 2016). Es werden konservative und invasive Therapiemethoden bei der Behandlung einer MRONJ unterschieden. Das therapeutische Management einer MRONJ sollte dabei in Abhängigkeit von dem jeweiligen Stadium der MRONJ, der Größe der Läsionen, Komorbiditäten und begleitender medikamentöser Behandlungen erfolgen (Khan, et al., 2015). Standardtherapien zur invasiven Behandlung einer MRONJ sind chirurgische Interventionen mit einem lokalen Debridement (Comas-Calonge, et al., 2017, Khan, et al., 2015) oder einer radikalen Entfernung des nekrotischen Knochens (Comas-Calonge, et al., 2017). Konservative Therapieansätze sind die systemische Gabe von Antibiotika und die lokale Anwendung antibiotisch wirkender Mundspüllösungen. Die Kombination einer chirurgischen Therapie mit dem Einsatz von L-PRF oder PRP wird in klinischen Studien (Bocanegra-Perez, et al., 2012, Nørholt und Hartlev, 2016), einer kontrollierten Studie (unter Zusatz von BMP 2) (Park, et al., 2017) und mehreren systematischen Reviews (Cano- Duran, et al., 2017, Del Fabbro, et al., 2015, Lopez-Jornet, et al., 2016) als wirksam bezeichnet. Die Einschätzung der Wirksamkeit einer hyperbaren Sauerstofftherapie hingegen ist nicht möglich, da Studienqualität und Studienlage eingeschränkt sind und ein Zusatznutzen der Behandlung nicht zu erkennen ist (Beth-Tasdogan, et al., 2017, El-Rabbany, et al., 2017, Rollason, et al., 2016). Der minimalinvasive Einsatz von Er:YAG- und Softlasern scheint bei MRONJ-Therapie hingegen wirksam zu sein (Rupel, et al., 2014, Weber, et al., 2016).

DIAGNOSTIK: Die Bestimmung des C-terminalen Telopeptids (Dal Pra, et al., 2017, Enciso, et al., 2016, Friedlander, et al., 2015) oder Autofluoreszenzverfahren (Ristow, et al., 2017) führen offensichtlich nicht zu einer verbesserten Diagnostik.

IMPLANTATBEHANDLUNGEN: Eine antiresorptive Therapie stellt grundsätzlich keine absolute Kontraindikation für eine Implantatbehandlung dar (Ata-Ali, et al., 2016, Chadha, et al., 2013, Chrcanovic, et al., 2016), sofern im Vorfeld eine individuelle Risikoabschätzung erfolgte (Aparecida Cariolatto, et al., 2018, Ata-Ali, et al., 2016, Walter, et al., 2016).

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