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Schnelligkeit versus Ästhetik? Sofortimplantation im Frontzahnbereich

Fallstudie von Julia Hehn

Die Sofortimplantation im Frontzahnbereich stellt für viele Behandler nach wie vor
eine Herausforderung dar. Zwar erscheinen hohe Überlebensraten von 97 % vielversprechend, das Risiko postoperativer Komplikationen wird jedoch oft unterschätzt
[1-3]. Chen et al. konnten nachweisen, dass es bei einem Drittel aller Patienten zu einer Resorption des periimplantären Knochens und zu einer Rezessionsbildung kommt [4]. Die meist bukkal auftretenden Defekte führen zu einer stark kompromittierten Ästhetik und lassen sich nur schwer und ohne vorhersagbares Ergebnis korrigieren [5]. Der Fokus moderner Behandlungsprotokolle liegt folglich auf dem Erhalt und der Stabilisierung der periimplantären Hart- und Weichgewebe [6].

Klinische Anamnese und Befunde

Ein 48-jähriger Patient war aufgrund einer akuten Frontzahnproblematik in unsere Praxis überwiesen worden. Der Zahn 11 wies seit einiger Zeit eine erhöhte Beweglichkeit und Aufbissempfindlichkeit auf. Die Symptome hatten sich in den letzten Wochen sukzessiv verstärkt und schränkten den professionellen Musiker nun in seiner beruflichen Tätigkeit stark ein.

Die Allgemeinanamnese des Patienten war unauffällig. Klinisch zeigte sich eine insuffiziente metallkeramische Restauration des Zahnes 11 (Abb. 1). Die Krone war im Halsbereich additiv mit Komposit versorgt worden und imponierte durch eine leicht protrudierte Stellung im Zahnbogen. Palatinal stellte sich eine ausgeprägte lokalisierte Abrasion der Verblendkeramik dar, sodass Anteile des Metallgerüsts sichtbar waren (Abb. 2, 3).

Funktionell konnte ein erhöhter Lockerungsgrad (II) und ein palatinaler Frühkontakt diagnostiziert werden. Die parodontalen Sondierungstiefen waren unauffällig. Die Analyse der Weichgewebsstruktur ließ auf einen dünnen Gingivatyp schließen. An Zahn 21 war außerdem eine lokalisierte Rezession und an Zahn 11 (mesial und distal) ein partieller Papillenverlust erkennbar.

Röntgenologischer Befund

Eine initial vorliegende ältere Zahnfilmaufnahme des Hauszahnarztes zeigte eine ausgedehnte rigide Stiftversorgung des Zahnes 11 mit insuffizienter Wurzelkanalbehandlung und apikaler Beherdung (Abb. 4). Zur genaueren Diagnostik der Wurzelanatomie und der knöchernen Strukturen wurde ein DVT der betroffenen Region angefertigt [7]. Abbildung 5 zeigt das ausgedehnte Stiftvolumen und die scharf begrenzte Osteolyse des periapikalen Knochens. Die bukkale und palatinale Knochenlamelle war vollständig intakt, eine Riss- oder Spaltbildung der Zahnwurzel war nicht zu erkennen.

Klinisches Procedere

Dank der guten parodontalen Verhältnisse und der intakten knöchernen Begrenzung konnte dem Wunsch des Patienten nach einer Sofortimplantation entsprochen werden. Aufgrund des dünnen Biotyps und des erhöhten Risikos der Rezessionsbildung wurde sowohl eine Augmentation des Knochens als auch der Gingiva geplant.

Schlussfolgerung

Die aktuelle Studienlage zeigt, dass der Trend zu Sofortimplantationen anhält. Die Technik vereint viele Vorteile: ein
einmaliger Eingriff, reduzierte Sitzungen und folglich geringere Kosten für den Patienten. Auch die hohen Überlebensraten stehen denen der verzögerten Implantation in nichts nach. Das Verfahren erfordert jedoch neben einer klaren Patientenselektion ein strukturiertes operatives Vorgehen, um Misserfolge zu vermeiden. Die initial dünne Knochenlamelle muss ausreichend verdickt werden, um Resorptionen vorzubeugen und die Blutversorgung der vestibulären Anteile zu stabilisieren. Nur so können langfristig Weichgewebsrezessionen vermieden und eine ansprechende Ästhetik garantiert werden.

Fallstudie Sofortimplantate

Autor

Dr. med. dent. Julia Hehn

Dr. med. dent. Julia Hehn, M.Sc.

  • 2010 Abschluss des Zahnmedizinstudiums an der Universität Erlangen- Nürnberg
  • Forschungsaufenthalt an der University of Southern California
  • Mehrere Jahre in einer Fachpraxis für funktionelle und ästhetische Zahnheilkunde

  • Postgraduales Studium im Bereich Parodontologie und Implantatherapie
  • 2015 Mastertitel der Deutschen Gesellschaft für Parodontolgie (DGParo)
  • Seit 2016 Niedergelassen in eigener Praxis
  • Seit 2017 Wissenschaftliche Mitarbeiterin der Abteilung für Parodontologie der Universität Würzburg

info@zahnarzt-dr-hehn.de

www.zahnarzt-dr-hehn.de

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