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GBR-Schalentechnik

Eine Fallstudie von Dr. med. dent. Frederic Hermann M.Sc.

Präimplantologische Augmentation eines ausgeprägten Knochendefektes

Die S2k-Leitlinie der AGKi, BDO, BDIZ, DGÄZ, DGMKG, DGZI und DGZMK geht der Fragestellung nach, bei welchen implantologischen Indikationen die Anwendung von Knochenersatzmaterial experimentell und klinisch wissenschaftlich belegt ist. Dabei kann der Einsatz bei konturgebenden horizontalen Defekten erfolgen. Assoziierte positive Faktoren sind die Rekonstruktion zwei- bis dreiwandiger oder Dehiszenzdefekte (eine zunehmende Defektgröße erfordert ein zweizeitiges Vorgehen) bei günstigerer Prognose im Oberkiefer.

Eine alternative Option besteht in einem präimplantologischen Knochenaufbau in der ästhetischen Zone mithilfe einer langsam resorbierenden und formstabilen Kollagenmembran und unter Verwendung von partikulärem Knochenregenerationsmaterial. Bei Vorliegen bestimmter klinisch-anatomischer Gegebenheiten, wie im folgenden Fallbeispiel dargelegt, kann damit eine voraussagbare knöcherne Augmentation erzielt werden. Die Membran wird dabei im Sinne einer „Schale“ mit Pins stabil an der knöchernen Unterlage fixiert (GBR-Schalentechnik).

Ein regenerativer Hohlraum kann somit geschaffen und über den für die knöcherne Regeneration erforderlichen Zeitraum aufrechterhalten werden. Dabei kommt der Analyse der Defektgeometrie, insbesondere der Analyse des vertikalen Attachmentniveaus an den benachbarten Zähnen, eine entscheidende Rolle bei der korrekten Auswahl des augmentativen Verfahrens zu.

Fallbericht

Ein männlicher Patient, allgemeinmedizinisch gesund, Nichtraucher, wurde vom Hauszahnarzt mit der Fragestellung nach einer implantologischen Versorgung einer Oberkiefereinzelzahnlücke überwiesen. Der Zahn wurde bereits einige Tage zuvor extrahiert. Der Patient stellt sich mit einer Lückensituation in regio 11 in unserer Praxis vor (Abb. 1). Im Zuge der klinischen und radiologischen Ausgangsdiagnostik wurde ein detailliertes Aufklärungsgespräch über die Therapieoptionen und deren Ablauf, Prognose und Kostenschätzung geführt. Dabei äußerte der Patient den Wunsch nach einer stabilen und festsitzenden Neuversorgung. Die Rehabilitation des Zahnes 11 sollte durch eine Implantatversorgung erfolgen. Eine Alternativaufklärung in Bezug auf eine konventionelle Brückenversorgung oder eine Adhäsivbrücke wurde ebenfalls durchgeführt, vom Patienten aber nicht gewünscht. Bei der präoperativen Untersuchung wurden
ästhetische Kriterien wie die Lachlinie und die Anlage des Gingivasaums, also der Übergang der weißen in die rote Ästhetik, sowie die Weichgewebsdicke analysiert (Abb. 2) [1]. Dabei zeigte sich ein Weichgewebsdefizit im bukkalen Bereich, das klinisch ein Hartgewebsdefizit vermuten ließ.

Die 3D-radiologische Analyse (Abb. 3-5) bestätigte einen ausgeprägten zweiwandigen Knochendefekt in regio 11. Der Analyse der hartgewebigen Defektgeometrie und des dadurch gestützten bedeckenden Weichgewebes kommt eine entscheidende Bedeutung für die Wahl des augmentativen Verfahrens zu. Im vorliegenden Patientenfall war das knöcherne Niveau an den Nachbarzähnen ebenso wie die bukkale knöcherne Prominenz an den benachbarten Zähnen erhalten. Das Weichgewebe zeigte einen dicken Biotypus mit einer ausreichend weiten Zone an befestigter Gingiva [2]. Die Darstellung des knöchernen Defektes erfolgte nach Präparation eines nach mesial tunnelierenden Mukoperiostlappens mit Übergang in ein apikales Spaltlappendesign (Abb. 6, 7).

Die Analyse der Defektsituation weist deutlich auf eine zweizeitige Vorgehensweise im Sinne einer präimplantologischen Rekonstruktion des knöchernen Defektbereiches hin. Dafür stehen verschiedene augmentative Konzepte zur Auswahl [3]:
1. Klassischer autologer Knochenblock aus dem retromolaren Bereich
2. Allogene Knochenblöcke
3. Schalentechnik (nach Khoury) autolog oder allogen
4. Tentpole-Technik mit Distanzhaltern
5. GBR-Techniken mit formstabilen Membranen

Abb. 2:​ Ästhetische Analyse des Gingivaverlaufs; bei okklusaler Aufsicht ist das vestibuläre Gewebedefizit deutlich erkennbar.

Abb. 3: Die radiologische 3D-Analyse der Defektsituation.

Abb 4: Der Knochendefekt kann durch die isometrische Ortsauflösung …

Abb. 5: … im Volumen in allen drei Raumrichtungen dargestellt werden.

Abb 6: Präparation eines nach mesial tunnelierenden Mukoperiostlappens mit Übergang in ein apikales Spaltlappendesign.

Abb. 7: Die Freilegung des knöchernen Defekts.

Abb 8: GBR-Verschalungstechnik mit einer langsam resorbierbaren Barrieremembran (Mem-Lok RCM/BioHorizons) und Titanfixations-Pins.

Abb. 9: Augmentation des nach vestibulär und palatinal stabil verschalten Defektbereichs.

Abb 10: Spannungsfreier Wundverschluss nach Spaltlappenpräparation.

Abb. 11: Klinische Situation sechs Monate nach Gewebeaufbau.

Abb 12: Vorher-Nachher-Vergleich der knöchernen Situation …

Abb. 13: … mithilfe der transversalen Schichtaufnahme (TSA).

Alle genannten Techniken bieten je nach klinisch-anatomischer Ausgangssituation und individuellen Patientengegebenheiten Vor- und Nachteile. Aufgrund der geschilderten Voraussetzungen und der Ablehnung des Patienten im Hinblick auf eine zusätzliche operative Entnahmestelle, fiel die therapeutische Entscheidung auf eine klassische GBR-Technik. Hierfür sind in der Regel in der Vergangenheit nicht-resorbierbare, meist titanverstärkte Membranen verwendet worden.

Durch Einsatz einer geeigneten, langsam-resorbierbaren und formstabilen Kollagenmembran mit einer Standzeit zwischen 26 und 38 Wochen [4], wie der MemLok RCM-Membran und einer Mischung aus 70 % MinerOss X langsam resorbierbaren bovinen Knochenersatzmaterials [4] und 30 % autologen Knochenspänen, welche defektnah mit dem Safe-Scraper gewonnen wurden, kann eine voraussagbare Defektregeneration ermöglicht werden. Grundprinzip ist dabei, die steife und formstabile MemLok RCM-Membran als „Schale“ zu verwenden und diese mit Titan- Pins bukkal und palatinal am Kieferkamm zu fixieren (Abb. 8). Anschließend wird der dazwischenliegende Bereich mit einem Gemisch aus MinerOss X und autologem Knochen augmentiert (Abb. 9) und koronal mit einem Membranstück abgedeckt. Somit wird der Defektbereich dreidimensional durch die formstabile Membran gestützt und der erforderliche Hohlraum über
einen langen Zeitraum aufrechterhalten. Im Anschluss erfolgte der spannungsfreie Wundverschluss (Abb. 10). Die knöcherne Regenerationszeit betrug, der Defektgröße angemessen, insgesamt sechs Monate. Das erzielte weich- und hartgewebige Augmentationsvolumen wird im Vergleich der Abb. 2/11, 12/13 und 14/15 deutlich. Dabei wurde der Kieferkamm in Höhe und Breite dreidimensional rekonstruiert.

Implantatplanung

Der intraorale Scan wurde im Zuge der Implantatplanung mit der prothetischen Zielplanung und dem DVT-Datensatz zu einem virtuellen Planungsmodell überlagert (Abb. 16). Eine auf digitaler Basis erstellte Bohrschablone wurde hergestellt (Abb.17). Die Insertion des geplanten Camlog Screw-Line Promote Plus Implantates in der Dimension Ø 3.8 /L 11 mm sollte mithilfe des vollgeführten Guide-Verfahrens von Camlog erfolgen. Das chirurgische Re-entry erfolgte nach sieben Monaten und zeigte einen ausreichend dimensionierten Kieferkamm mit einem gut durchbluteten Regenerationsergebnis. Teilpartikel des langsam resorbierbaren bovinen Knochenersatzmaterials sind noch ersichtlich (Abb. 18).

Nach schablonengeführter Implantatbettaufbereitung (Abb. 19-21) erfolgte die über die Bohrschablone sicher geführte Insertion des geplanten Implantates (Abb. 22, 23). Die postoperative radiologische Dokumentation zeigt das inserierte Camlog Implantat im Vergleich zur virtuellen Implantatplanung (Abb. 24, 25). Nach weiteren drei Monaten erfolgte die Freilegungsoperation und die Rücküberweisung des Patienten zu seinem Hauszahnarzt für die weitere prothetische Versorgung. Die Abbildung 26 zeigt die abschließende klinische Situation mit einer breiten Weichgewebszone [5].

Abb 14:​ Axial-Schnitt vor Augmentation …

Abb. 15: … und nach Augmentation mit 3D-Implantatplanung.

Abb 16: Überlagerung des virtuellen Backward-Plannings (ssi.) mit dem DVT-Datensatz (dicom.).

Abb. 17: Sicat-Optiguide Bohrschablone mit Guide-Bohrhülse für das geplante Ø 3,8 mm Camlog Screw-Line Implantat.

Abb 18: Re-entry nach sieben Monaten.

Abb. 19: Protokollgerechte Aufbereitung des Implantatbetts.

Abb 20: Dem Pilotbohrer folgen die Formbohrer, bis zur erreichten Tiefe von elf Millimetern.

Abb. 21: Schablonengeführte Implantatbettaufbereitung.

Abb 22: Schablonengeführte Implantatinsertion, wobei der Fokus auf den exakten Anschlag und der Ausrichtung der Innenkonfiguration gerichtet ist.

Abb. 23: Das nach prothetisch orientierten Gesichtspunkten inserierte Implantat (Camlog Screw-Line Promote Plus 3.8-11 mm).

Abb 24: Vergleich virtuelle 3D-Planung mit postoperativer Situation.

Abb. 25: Das Röntgenkontrollbild vor Freilegungs-OP drei Monate post implantationem.

Schlussfolgerungen

Die Spontanheilung einer Alveole nach Zahnverlust kann schnell zu einer vertikalen und horizontalen Resorption des krestalen Bereichs führen. Mit der Atrophie des Alveolarknochens verschlechtern sich neben dem ästhetischen Erscheinungsbild vor allem die Voraussetzungen sowohl für die implantologische als auch für andere Formen prothetischer Rehabilitationen. Augmentative Maßnahmen zur Verbesserung der Funktion und der Ästhetik sind daher häufig notwendig. Die MemLok RCM-Membran vereint dabei die positiven Eigenschaften einer langen Resorptionszeit und Barrierefunktion (wie von quervernetzten Kollagenmembranen) mit optimalen gewebsintegrativen Eigenschaften. Dies ermöglicht den klinischen Einsatz auch bei größeren Defekten. Im dargelegten Patientenfall konnte mit der GBR-Schalentechnik unter Verwendung der MemLok RCM-Membran und des langsam resorbierenden bovinen Knochenersatzmaterials MinerOss X ein optimales präimplantologisches Regenerationsergebnis erzielt werden.

Autor

Dr. med. dent. Frederic Hermann M.Sc.

  • 1997-2002 Studium der Zahnmedizin an der Med. Fakultät der Universität Leipzig
  • 2002 Approbation
  • 2005 Promotion zum Dr. med. dent.
  • 2003-2007 Postgrad. Ausbildung im Bereich Implantologie und Parodontologie u. Abschluss der Curricula
  • 2006 Diplomate des ICOI (USA) u. „Geprüfter Experte der Implantologie“
  • Seit 2007 Niederlassung in der TEAM 15 – Praxis für Zahnmedizin im schweizerischen Zug
  • 2013-2015 Master of Science Clinical Dental CAD/CAM, Universität Greifswald
  • 2016 Weiterbildungsausweis orale Implantologie SGI/SSO
  • Geprüfter Experte der Implantologie DGOI, Experte in oraler Implantologie ICOI Europe
  • Hospitations- und Supervisionspraxis der DGI

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