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Volldigital geplante temporäre Freiend-Versorgung im Unterkiefer

Eine Fallstudie von Frank Spiegelberg und Ahmed Riad Fawzy

Temporäre Kronenversorgungen lassen sich heute allein auf der Basis von einer DVT-Aufnahme und einem Modellscan herstellen. Im Patientenbeispiel gelingt dies bei einer beidseitigen Freiendsituation im Unterkiefer. Ein integriertes System mit präzisem Matching erleichtert die Herstellung von verblockten PMMA-Kronen – volldigital und zeitsparend.

Durch den Abgleich von DVT-Aufnahmen mit intraoral oder im Labor gescannten Oberflächen lassen sich Implantate anschaulich und präzise planen [1]. Dies gelingt besonders gut bei Verwendung zahngestützter Bohrschablonen [2], die idealerweise im Druckverfahren hergestellt werden [1]. Auf derselben Datenbasis lässt sich bei Bedarf auch gleich ein temporärer Ersatz herstellen [3]. Dieser wird bei ausreichender Primärstabilität im Anschluss an die Implantation eingegliedert. Patienten profitieren davon, dass eine Sitzung gespart wird und am Tag der Implantation eine funktionell und ästhetisch hochwertige Versorgung zur Verfügung steht.

Voraussetzung für dieses Behandlungsprotokoll ist auf therapeutischer Seite eine geeignete, ausreichend präzise Hard- und Software und auf Patientenseite ausreichend gesundes Hart- und Weichgewebe im Implantationsbereich. Das Knochenvolumen lässt sich mit einer digitalen Volumentomografie ermitteln, das Weichgewebevolumen radiologisch in Kombination mit einem Oberflächenscan. Zur klinischen Messung der Gewebedicke dienen eine Parodontalsonde und bei Bedarf eine endodontische Feile und Gummistopper. Prognostisch bedeutsam ist auch die Breite der befestigten Mukosa, mit häufig kritischen Befunden im posterioren Unterkiefer [4].

Digitale temporäre Phase

Zu den therapeutischen Hilfsmitteln zählen ein geeignetes Implantatsystem mit Komponenten für präzise geführte Implantationen und eine anwenderfreundlich integrierte Software. Schließlich sind hochwertige prothetische Bauteile erforderlich, die in einem zuverlässigen Workflow auf den übrigen Komponenten aufbauen. Hier haben sich im Seitenzahnbereich Hybridabutments mit monolithischen Zirkonoxid- oder Lithiumdisilikat-Kronen durchgesetzt, alternativ können keramische Hybridabutment-Kronen verwendet werden [5].

Patienten müssen während der Einheilphase häufig funktionell und ästhetisch rehabilitiert werden. Zusätzlich kann es erforderlich sein, die periimplantären Gewebe auszuformen und für den definitiven Ersatz vorzubereiten. Für diese temporär-therapeutische Phase sind je nach System auch digital geplante und mit CAD/CAM-hergestellte individuelle Gingivaformer oder Restaurationen verfügbar. Damit das Konzept reibungslos funktioniert, sind eine präzise Datenakquise, zum Beispiel mit einem intraoralen Scanner, und ein zuverlässiger Transfer ins Labor oder externe Servicezentrum erforderlich.

Im Patientenbeispiel werden nach Augmentation und Osseointegration zunächst die Weichgewebe mit der volldigital geplanten temporären Versorgung sorgfältig ausgeformt. Ein knappes Jahr nach der Implantation werden CAD/CAM-Zirkonoxidkronen auf Hybridabutments verklebt, ästhetisch optimiert und erfolgreich definitiv eingegliedert.

Fallbericht

Ein 54-jähriger Patient kommt mit dem Wunsch in die Praxis, seine bilaterale Freiendsituation im Unterkiefer mit Implantaten versorgen zu lassen (Abb. 1). Er raucht täglich 20 Zigaretten und hat sonst keine anamnestischen Besonderheiten. Auffällig sind noch die beidseitig schmale befestigte Gingiva, vor allem im posterioren Bereich (Abb. 2), und eine bukkale Knochendehiszenz an der Extraktionsalveole von Zahn 34 (Abb. 3, 8).

Auf der Basis eines digitalen Volumentomogramms und eines Modellscans werden in einer integrierten Software (MSoft, Mis) drei Implantate im dritten und zwei im vierten Quadranten geplant, die jeweils mit Einzelkronen versorgt werden sollen (Abb. 4-6). Vorgesehen sind auch temporäre verblockte PMMA-Kronen, die zusammen mit der Bohrschablone am Tag der Implantation zur Verfügung stehen werden. Eine Weichgewebsplastik soll zunächst nicht erfolgen, wird aber für einen späteren Zeitpunkt erwogen.

Die Implantation verläuft wie geplant mit der vom MCenter Berlin gelieferten skelettierten Bohrschablone (MGuide, Mis) (Abb. 7-10). Die verwendeten Implantate haben zervikal einen abgerundet-dreieckigen Querschnitt (V3, Mis). Die resultierenden abgeflachten Schulterbereiche, von denen einer nach bukkal orientiert werden sollte, sorgen im krestalen Anteil des kreisrunden Implantatlagers für kompressionsfreie Bereiche. In diese kann im Verlauf der Osseointegration Knochen wachsen und so einem marginalen Abbau entgegengewirkt werden.

Im dritten Quadranten muss der bukkale knöcherne Defekt am Implantat 34 augmentiert werden (Abb. 10). Dazu dient ein Gemisch aus autologem Knochen und bovinem Knochenersatzmaterial, das Augmentat wird vor dem Vernähen mit einer porzinen Kollagenmembran stabilisiert (beide Produkte: Geistlich Biomaterials).

Auf Basis des gematchten Datensatzes (vgl. Abb. 4-6) werden zeitgleich mit der Bohrschablone und ohne Abformung die temporären Restaurationen hergestellt (MLab). Für diesen Schritt exportieren die Spezialisten im MCenter die Planungsdaten als STL-Datei in die verwendete CAD/CAM-Software (Exocad). Darin planen und produzieren sie unter Nutzung virtueller Scan- Abutments und Modellanaloge (Abb. 11, 12) verblockte temporäre Kronen aus PMMA-Kunststoff (Abb. 13). Da das Augmentat am Implantat 34 einheilen muss, werden die mitgelieferten Kronen im Rahmen der Implantationssitzung noch nicht ein- gegliedert.

Emergenzprofil und digitale Positionsbestimmung

Nach elf Wochen werden die Implantate freigelegt, temporäre Abutments mit Rotationsschutz (Mis) aufgeschraubt und die verblockten temporären Kronen zur Ausformung der Weichgewebe eingegliedert (Abb. 14-16). Dafür werden die Restaurationen extraoral mit Komposit unterfüttert und die Emergenzprofile sorgfältig ausgeformt und poliert. Vier Wochen später sind die Weichgewebe bereits gut abgeheilt, mit ästhetisch etwas günstigerer Situation im vierten Quadranten (Abb. 17, 18).

Nach weiteren fünf Monaten erfolgt die digitale Positionsbestimmung für die definitiven Kronen. Dafür werden groß dimensionierte Scan-Abutments mit spezieller Geometrie eingeschraubt (Abb. 19) und intraoral gescannt. Auf Basis des Scans werden Modelle gedruckt und speziell für diesen Zweck entwickelte Modell-Analoge verschraubt (Abb. 20). Die definitiven vollanatomischen Abutmentkronen werden unter Verwendung von Titanklebebasen und Zirkonoxid gefertigt (Abb. 21, 22). Die Abbildungen 23 bis 25 zeigen das funktionell und ästhetisch gelungene Endergebnis.

Diskussion

Die bilaterale Freiendsituation im Unterkiefer war wegen des ausreichenden Knochenvolumens primär relativ gut zu handhaben. Erschwerend wirkten jedoch die relativ schmale befestigte Mukosa und der bukkale Knochendefekt an Position 34. Zudem raucht der 54-jährige Patient täglich 20 Zigaretten. Entsprechend wurde ein konservatives Protokoll gewählt, mit knapp dreimonatiger geschlossener Einheilzeit vor der temporären Versorgung. Um die Knochenbelastung nach der Freilegung zu begrenzen, wurden die verblockten Kronen bereits bei der Herstellung beidseitig okklusal reduziert.

Günstig wirkt sich, vor allem bei begrenztem Knochenangebot im ästhetischen Bereich, die spezielle krestale Geometrie der verwendeten Implantate aus. Die resultierenden Räume zwischen Implantatlagerwand und -oberfläche stehen für die Osteogenese zur Verfügung und vergrößern im gefährdeten krestalen Bereich das Volumen gut durchbluteten Knochens. Hinzu kommt die hydrophile und strukturell optimierte Implantatoberfläche (B+), die Knochenheilung und -wachstum fördert [6].
Beim verwendeten geführten Implantationssystem (MGuide) sind Führungsschlüssel und Tiefenstopp in die Bohrer integriert. Dies erlaubt einerseits eine einhändige und damit effiziente Arbeitsweise. Andererseits gelingt die Aufbereitung des Implantatlagers schonend und präzise. Die skelettierten Bohrschablonen erleichtern den Zugang von Spülflüssigkeit und Lokalanästhesie. Die Bohrer haben zudem seitliche Schlitze, wodurch die Kühlung auch in der Endposition gewährleistet ist.

Konsequenter Workflow

Es gibt eine ganze Reihe von Systemen für computergestützte Implantologie, auch in Kombination mit CAD/CAM-Bauteilen. Der im Dialog mit dem MCenter realisierte Workflow für Implantatplanung, geführte Implantation und temporäre Versorgung ist in seiner digitalen Konsequenz sehr effizient. Nach Import der dreidimensionalen Implantatpositionen in eines der gängigen CAD/CAM-Planungsprogramme (3Shape, Exocad oder Dental Wings) können die benötigten Komponenten mithilfe virtueller Scan-Abutments und Modellanaloge hergestellt werden („Desktop-Scanning“) (vgl. Abb. 11, 12).

Die virtuellen Bauteile simulieren die sonst notwendige reale Abformung, sodass dieser Arbeitsschritt eingespart werden kann. Verfügbar sind je nach Situation individuelle Gingiva- former, individuelle Abutments und verschraubte temporäre Kronen und Brücken. Damit wird eine sehr wirtschaftliche „Top- Down-Planung“ (Mis) von der Restauration über Abutment und Implantat bis zu umgebenden Hart- und Weichgeweben realisiert.

Klinische Besonderheiten und Fazit

Wie recht häufig, konnte beim vorgestellten Patienten keine temporäre Sofortversorgung durchgeführt werden. Dies lag primär an der Augmentation, unabhängig davon erschien im Seitenzahnbereich das Risiko einer frühzeitigen Belastung zu hoch. Der Patient hatte jedoch bereits vor Behandlungsbeginn keinen Zahnersatz getragen, sodass er kein Problem mit der verzögerten temporären Versorgung hatte.

Qualität und Breite der befestigten und keratinisierten Mukosa erwiesen sich sechs Monate später als zufriedenstellend.
Dies ist besonders erfreulich, da der Patient weiterhin rauchte und daher mit einer nicht idealen Heilung zu rechnen war. Die gute Mundhygiene, die sonstige Patientengesundheit und die gewebefreundliche Gestaltung der hochwertig produzierten temporären Restaurationen waren offenbar ausschlaggebend. Das verwendete, konsequent digitale Protokoll führte – mit zwei schonenden operativen Eingriffen und nur einer Abformung – zu einem biologisch und ästhetisch sehr guten Ergebnis.

Autoren

Dr. med. dent. Frank Spiegelberg

  • 1992 Staatsexamen Zahnmedizin, Justus Liebig Universität Gießen und Approbation als Zahnarzt
  • 1993-1994 Weiterbildung für Oralchirurgie Zahnarztpraxis Dr. P. Keßler in Bad Vilbel
  • 1994-1996 Weiterbildung für Oralchirurgie, Privatzahnklinik Schloss Schellenstein in Olsberg, Chefarzt Prof. Dr. F. Khoury
  • 1996-1997 Weiterbildung für Oralchirurgie, Praxisklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie
    in Bad Homburg, Dr. Dr. W. Kater
  • 30.09.1997 Facharzt für Oralchirurgie und Zertifizierung Implantologie (BDIZ)
  • 01.10.1997-31.03.1998 Niederlassung Gemeinschaftspraxis in Praxis für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie,
    Dr. Dr. W. Kater in Bad Homburg
  • 30.09.1997 Promotion zum Dr. med. dent., Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main
  • 01.06.2000 Niederlassung in eigener Praxis für Oralchirurgie und Implantologie, Frankfurt am Main
K Referent und Autor zum Thema „Digitale Implantologie“ im In- und Ausland
K Fachgesellschaften: DGI, BDIZ, DGDOA, PROSEC-Partner

info@dr-spiegelberg.de

www.dr-spiegelberg.com

Dr. med. dent. Ahmed Mohamed Riad Fawzy

  • 2008 Staatsexamen der Zahnmedizin, Universitätsklinikum “Kasr al Ainy“, Kairo – Ägypten
  • 11.2008 – 11.2009 Praktisches Jahr an der Universität Kairo, Universitätsklinikum „Kasr al Ainy“
  • 2009 Approbation als Zahnarzt in Ägypten
  • 11.2009 – 09.2010 Zahnarzt in der Abteilung für Oralchirurgie, Universitätsklinikum Kairo „Kasr al Ainy“
  • 10.2010 – 03.2014 Postgraduiertenstudium an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg – Prof. Dr. Dr. h.c. J. R. Strub, Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik
  • 04.2014 – 09.2017 Assistenzarzt an der Albert-Ludwigs- Universität Freiburg – Prof. Dr. Dr. h.c. J. R. Strub
  • 2015 Promotion
  • K 2017 Approbation als Zahnarzt in Deutschland
  • 10.2017 – 08.2018 Assistenzarzt an der Praxis Dr. Frank Spiegelberg, Frankfurt
  • Seit 09.2018 Assistenzzeit zur Weiterbildung Oralchirurgie

ahmedriadfawzy@gmail.com