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Frontzahnverlust durch traumatogene Zyste

Eine Fallstudie von Lutz Krause

Infolge eines Unfalls erlitt der seinerzeit 20-jährige Patient im Oktober des Jahres 2015 ein komplexes Frontzahntrauma unter Einbeziehung der Zähne 11 bis 22. Die Hartsubstanzschäden waren den Klassen I bis III nach Ellis zuzuordnen, wobei die Prognose des Zahnes 22 bereits zum Zeitpunkt der Erstversorgung als kritisch einzuschätzen war.
Die Zähne 11 und 21 mit Ellis-Frakturen I/II wurden zunächst konservierend versorgt. Die Zahnkrone 22 zeigte eine in vestibulo-oraler Richtung schräg verlaufende Fraktur, einschließlich großflächiger Eröffnung des Pulpenkavums, welche palatinal subgingival endete. Der Zahn wurde nach endodontischer Behandlung mit einem adhäsiven Kronenaufbau versorgt.

Exakt 18 Monate nach dem Unfallereignis zeigte regio 22 im April des Jahres 2017 in der klinischen Verlaufskontrolle vestibulär eine diskrete Schwellung und Fistelbildung. Die zeitgleich eingeleitete Bildgebung der betroffenen Region ließ einen ausgedehnten zystischen Prozess erkennen (Abb. 1, 2).

Die radiografisch deutlich sichtbare scharfe Begrenzung der Knochenläsion im Vergleich zur Umgebung sprach für die Diagnose einer radikulären Zyste. Die radikuläre Zyste gilt als die am häufigsten auftretende Kieferzyste odontogener Genese. Retrospektive Datenanalysen gehen hier von bis zu 84,5 % aus. Prospektive epidemiologische Studien aus Australien beschreiben die radikuläre Zyste mit 45,7 % als häufigste Kieferzyste [1].

Das röntgengrafisch sichtbare Ausmaß der Läsion ließ einen erheblichen Knochenverlust in allen Dimensionen erwarten. Der dünne Morphotyp des Weichgewebes implizierte geeignete Maßnahmen für den Erhalt bzw. die Rekonstruktion der defizitären Hart- und Weichgewebe. Der aus dem Befund resultierende Behandlungsablauf wurde folgendermaßen definiert:

  1. Zahnentfernung, Augmentation, langzeitprovisorische Adhäsivbrücke (LZP)
  2. Implantation und Wiedereingliederung LZP nach sechs Monaten
  3. Freilegung und therapeutischer Zahnersatz (TZE) nach sechs Monaten
  4. Definitive Kronenversorgung nach frühestens drei Monaten

Step 1

Die gemäß Röntgenbild ausgedehnte Destruktion des Alveolarfortsatzes (Abb. 3) bestätigte sich nach der schonenden Zahnentfernung eindrucksvoll (Abb. 4). Das Zystengewebe, laut feingeweblicher Aufarbeitung als Material einer radikulären Zyste beschrieben, wurde subtil aus dem Defekt entfernt, wobei sich die palatinale Begrenzung der Alveole als teilweise resorbiert erwies. Die Augmentation erfolgte mit partikulärem KEM xenogenen Ursprungs, welches mit präoperativ entnommenem Venenblut „biologisiert“ worden war. Die Abdeckung des Augmentats (Abb. 5) erfolgte mit einer porcinen RCM (Bio-Gide, Geistlich), wobei insbesondere im palatinalen Bereich eine großflächige Defektabdeckung erforderlich wurde. Infolge der Knochendestruktion waren die angrenzenden Wurzelareale der Nachbarzähne freiliegend. Diese wurden vor Einbringen des Augmentationsmaterials mit Schmelzmatrixproteinen (Emdogain, Straumann Group) konditioniert.

Der speicheldichte Wundverschluss erfolgte mit PTFE-Material (6-0) und monofilem atraumatischen Faden (6-0) in zwei Schichten. Die im Vorfeld gefertigte Klebebrücke wurde im Sinne eines LZPs an den Palatinalflächen der Nachbarzähne adhäsiv (Variolink DC) befestigt (Abb. 6).

Als perioperative Antibiose kam Amoxicillin 1.000 mg drei Mal eine Tbl./Tag für sieben Tage zum Einsatz. Einem bewährten Einnahmeschema folgend wurde ergänzend Kortison per os zur Schwellungsprophylaxe verabreicht. Die Nähte wurden zehn Tage postoperativ entfernt.

fallstudie krause
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Abb. 2: Klinik 18 Monate nach Erstversorgung.
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Step 2

Angesichts der Defektausdehnung und der damit verbundenen Größe des Augmentats wurde in diesem Fall eine schablonengeführte Implantation (SMOP) vorbereitet (Abb. 7). Diese erfolgte sechs Monate nach der Augmentation im Januar des Jahres 2018 unter Verwendung eines Camlog Screw Line Implantats (Promote Plus; 3,8/11mm). Es wurde eine gute Primärstabilität erreicht. Die ergänzende Konturaugmentation mit Bio-Oss (Geistlich GmbH) und Bio-Gide (Abb. 9, 10) sollte einem weiteren kresto-vestibulären Volumengewinn dienen. Der Nahtverschluss (Abb. 11), die perioperative Medikation und das Wiedereinsetzen der langzeitprovisorischen Versorgung erfolgten in Analogie zu Step 1.

Step 3

Die Einheilzeit bis zur Implantatfreilegung im Juni 2018 betrug fünf Monate. Nach vestibulärer Weichgewebsverdickung mittels Rolllappentechnik (Abb. 12) wurde eine verschraubbare PEEK-Krone zur definitiven Ausformung des Emergenzprofils im Sinne eines „therapeutischen Zahnersatzes“ eingegliedert (Abb. 13).

Step 4

Nach weiteren fünf Monaten erfolgte bei stabilen Weichgewebsverhältnissen (Abb. 14) die definitive Kronenversorgung. Der geschlossenen Abformung (Polyether) unter Verwendung eines individualisierten Abformpfostens (Abb. 15) folgten Konturanpassungen der Approximalflächen der Nachbarzähne mittels Kompositmaterial (Tetric Ceram), um die äußere Form der implantatgetragenen Krone 22 am zweiten Inzisiven der Gegenseite orientieren zu können (Abb. 16). Nach Einprobe und Korrektur des Hybridabutments (Zirkonabutment auf Camlog Klebebasis) wurden das Abutment mit empfohlenem Drehmoment und die Verblendkrone (Zirkonoxid) mittels Glasionomerzement (KetacCem) eingegliedert (Abb. 17-19).

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Fazit

Nach insgesamt 18-monatiger Behandlungszeit konnte ein für den Patienten zufriedenstellendes vorläufiges Endergebnis erzielt werden. Der großvolumige Knochenverlust und ein dünner gingivaler Morphotyp veranlassten das Behandlerteam zur Festlegung von etwa halbjährigen Behandlungspausen nach den chirurgischen Behandlungsschritten. Die Ursache für den kleinen Gewebsdefekt am Marginalsaum der implantatgetragenen Krone (Abb. 19) kann nicht genau definiert werden. Es ist die Impaktion eines Fremdkörpers (Zementrest?) mit nachfolgender Gewebsnekrose zu vermuten. Nach klinischer Kontrolle wurde das Geschehen zunächst den physiologischen Remodellationsvorgängen überlassen.

Autor

Dr. Lutz Krause

  • 1980-1985 Studium Universität Leipzig
  • 19991 Promotion Dr. med. dent., TU
  • Dresden
  • 2005 Curriculum Implantologie DGI
  • 2009 Tätigkeitsschwerpunkt Implantologie, DGI
  • 2014 Curriculum Implantatprothetik
  • und Zahntechnik, DGI
  • 2015 Tätigkeitsschwerpunkt Implantatprothetik und Zahntechnik, DGI
  • Mitarbeit in Qualitätszirkeln für Implantologie in Leipzig und Chemnitz

info@zahnkontakte-chemnitz.de
www.zahnkontakte-chemnitz.de

Ich danke meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für ihr tägliches Engagement bei der Umsetzung solch komplexer Behandlungsabläufe. Den Zahntechnikern vom Dentallabor Lexmann- Wildenhain GmbH, Chemnitz, gehören Dank und Anerkennung für tägliche Kreativität und Teamgeist. Die Dentalindustrie stellt den Behandlerteams ausgezeichnete Materialien zur Verfügung, um auch schwierige Herausforderungen zuverlässig lösen zu können.