Abutment-Switch mit tiologic Twinfit
Obwohl eine optimale Vorhersagbarkeit bei der implantatprothetischen Rehabilitation wünschenswert ist, kann sie nicht immer garantiert werden. So kann beispielsweise die klinische Situation zum Zeitpunkt der Implantatfreilegung von den ursprünglichen Erwartungen abweichen. Unter solchen Umständen sind prothetische Freiheit und Flexibilität gefragt. Anhand eines Fallbeispiels zeigt der Autor den Abutment-Switch (tioLogic Twinfit Implantat, Dentaurum) zum Zeitpunkt der Implantatfreilegung von einer plattformbasierten (platform) zu einer konischen (conical) Implantat-Abutment-Verbindung.
Die Art der Implantat-Abutment-Verbindung ist für eine implantatprothetische Rehabilitation von hoher Bedeutung. Im Allgemeinen lassen sich zwei Arten unterscheiden:
- Plattformbasierte Verbindung: Hierbei sitzt das Abutment flach auf der Implantatschulter.
- Konische Verbindung: Das Abutment ist gekennzeichnet durch eine konische Gestalt, welche über konische Flächen im Implantat getragen wird.
Aus klinischer Sicht lässt sich kein eindeutiger Vorteil für ein bestimmtes Anschlussdesign feststellen, da beide Varianten Vor- und Nachteile haben.
Vielmehr sind spezifische Faktoren entscheidend. So bietet eine Konusverbindung Vorteile im ästhetischen Bereich bei Einzelzahnversorgungen, während eine Plattformverbindung bei verblockten Versorgungen wie Brücken und Stegen überzeugt. In der täglichen Praxis kommen je nach Indikation beide Verbindungsarten zum Einsatz. Die meisten Implantatsysteme beschränken sich jedoch auf ein bestimmtes Design: entweder plattformbasiert oder konisch. Um die Vorteile beider Implantat-Aufbau-Verbindungen nutzen zu können, müssten also mindestens zwei verschiedene Implantatsysteme in der Praxis eingesetzt werden. Anders verhält es sich bei einem Implantatsystem mit Abutment Switch.
All-in-one: Zwei Anschlussgeometrien und ein Implantat
Der große Vorteil eines Abutment-Switches (tiologic Twinfit) liegt in der prothetischen Flexibilität. Die Möglichkeit, erst nach der Implantatinsertion bzw. Osseointegration zwischen einer plattformbasierten oder einer konischen Implantat-Aufbau-Verbindung wählen zu können, bietet Flexibilität bei der prothetischen Versorgung. Immer wieder gibt es Situationen, in denen sich nach der Freilegung eines Implantates ein anderes Bild ergibt, als erwartet.
Mit einem Abutment-Switch kann in diesen Fällen die Behandlungsstrategie innerhalb des Therapieverlaufs angepasst werden, so wie nachfolgend anhand eines Patientenfalls veranschaulicht. In dem Fall zeigte sich nach der Implantation zweier Implantate in Kombination mit knochenaufbauenden Maßnahmen zur Freilegung ein unerwartet hohes Knochenvolumen. Die Implantate waren teils im krestalen Bereich mit Knochen überwachsen.
Patientenfall
Der heute 78-jährige Patient konsultierte im September 2021 nach einem Fahrradunfall die Zahnarztpraxis. Es bestanden Beschwerden im Oberkieferfrontzahnbereich. Die Weichteilverletzungen wurden bereits im Krankenhaus versorgt. Die zahnärztliche radiologische Diagnostik offenbarte eindeutig Querfrakturen der Zahnwurzeln (Abb. 1). Daraufhin wurden im November 2021 die Frontzähne 11 und 21 extrahiert und die Lücke provisorisch mit einer Interimsprothese versorgt. Im März 2022 erfolgten eine präoperative digitale Volumentomografie (DVT) und die Planung der Behandlungsstrategie (Abb. 2).
Noch im selben Monat wurden zwei Implantate des Typs tiologic Twinfit Ø 3.7 in regio 11 und 21 (Länge 13 mm, 15 mm) unter Lokalanästhesie inseriert (Abb. 3-8). Aufgrund der dünnen bukkalen Knochenlamelle und einer bukkalen Defektsituation erfolgte eine Augmentation des Knochens mittels der Karottentechnik nach Prof. Dr. Fouad Khoury (Abb. 9). Es wurde lediglich autologes Material verwendet und die Wunde spannungsfrei sowie speicheldicht ohne weitere Membran verschlossen (Abb. 10). Angesichts der knöchernen Bedingungen sah die initiale Planung eine prothetische Versorgung auf Abutments mit Plattform-Verbindung vor.
Nach reizfreier Einheilung konnten im August 2022 die Implantate regio 11 und 21 freigelegt werden. Im Anschluss an die Inzision der Gingiva bzw. Freilegung präsentierte sich eine sehr gute knöcherne Situation (Abb. 11). Der augmentierte Knochen zeigte sich optimal integriert und hatte die Implantate teilweise krestal überwachsen. Die Implantatschultern waren initial nicht sichtbar. Diese unerwartet positive knöcherne Situation führte zu einer Neubewertung der ursprünglichen Strategie, die Implantate mit plattformbasierten Aufbauten zu versorgen.
Die Vorteile einer konischen Implantat-Abutment-Verbindung (langfristige Ästhetik) sollten genutzt werden. Das zum Zeitpunkt der Freilegung vorhandene Knochenvolumen rechtfertigte eine Änderung der Planung. In dieser Flexibilität liegt der Vorteil des tiologic Twinfit-Implantates. Es kann mit einer konischen (conical) oder einer plattformbasierten (platform) Aufbauverbindung versorgt werden. Diese Entscheidung kann auch nach der Osseointegration getroffen werden.
Der überschüssige Knochen oberhalb der Verschlussschrauben wurde vorsichtig entfernt (Abb. 12). Um viel krestales Knochenvolumen zu erhalten, sollte die Restauration auf konischen Aufbauten (conical) realisiert werden.
Nach entsprechenden Maßnahmen im Rahmen des Weichgewebemanagements wurde nach dem Einsetzen der Abformpfosten eine Überabformung genommen. Im Dentallabor konnten die individuellen Abutments und vollkeramischen Kronen hergestellt werden. Als Hilfestellung für die definitive Eingliederung fertigte der Zahntechniker zudem eine Einbringhilfe aus Kunststoff an.
Die Abutments und die vollkeramischen Kronen konnten Ende August 2022 definitiv eingegliedert werden (Abb. 13). Es wurde explizit darauf geachtet, jedwede Kleberreste gründlich zu entfernen und das periimplantäre Weichgewebe frei von etwaigen Reizungen zu halten. Eine Röntgenaufnahme diente der Kontrolle. Im Ergebnis zeigte sich eine implantatprothetische
Restauration, die wie aus dem Zahnfleisch gewachsen wirkt (Abb. 14, 15). Dies ist unter anderem auf die konische Implantat-Abutmentverbindung zurückzuführen. Hätte man eine plattformbasierte Verbindung verwendet, wäre eine andere Gestaltung des Abutment- bzw. Kronendesigns erforderlich gewesen. Dies hätte vermutlich zu einer weniger ästhetisch ansprechenden Darstellung im Bereich der Weichgewebe geführt.
Das postoperative Röntgenbild bestätigt das Knochenwachstum in vertikaler Richtung (Abb. 16). Der auf dem Röntgenbild scheinbar enge Abstand des Implantats regio 21 zum bereits seit längerem vorhandenen Implantat regio 22 erklärt sich durch die typische Abbildungsgeometrie der Implantatachsen zur Röntgenachse und stellt keine klinische Komplikation dar.
Fazit
Die Idee des Abutment-Switchs (tiologic Twinfit Implantat) gewährt Flexibilität im klinischen Alltag. Dank der Möglichkeit, innerhalb eines Implantatsystems zwischen einer plattformbasierten und einer konischen Verbindung zu wählen, lässt sich auf Veränderungen im Therapieverlauf reagieren. Selbst ein nachträglicher Wechsel ist möglich. Es ist nicht ungewöhnlich, dass Implantatversorgungen im Laufe der Zeit erweitert werden müssen. Was als implantologische Einzelzahnversorgung mit konischem Abutment beginnt, kann sich im Laufe der Jahre zu einer komplexen Versorgung entwickeln.
Hier bietet tiologic Twinfit die Flexibilität, den konischen durch einen plattformbasierten Aufbau zu ersetzen und zusätzliche Implantate in die Versorgung zu integrieren. Im vorliegenden Patientenfall konnte aufgrund der günstigen Hartgewebesituation nach Freilegung die ursprüngliche Entscheidung für eine plattformbasierte Verbindung revidiert und stattdessen konische Abutments für die prothetische Versorgung gewählt werden. Der Fall steht beispielhaft für viele Situationen im Alltag, in denen die Option eines Abutment-Switches entscheidend zu einem optimalen Ergebnis beitragen kann.
Autoren
Dr. med. dent. Daniel Schulz
- 1996-2001 Studium der Zahnheilkunde in Hamburg
- 2001-2004 Assistenzstellen in Hamburg
- 2003 Promotion
- 2004 Praxisneugründung in Henstedt-Ulzburg, implantologisch tätig
- Mitgliedschaft der SHGZMK und DGZI
- Referententätigkeit: Vorträge und Veröffentlichungen im Bereich Implantologie, Vollkeramik und digitale Volumentomografie
info@schulz-zahnarzt.de
www.implantologie.schulz-zahnarzt.de
www.schulz-zahnarzt.de
ZTM Gerd Weber
- 1978-1983 Labor Heinze, Schwerpunkt Kombi- und Frästechnik sowie Modellguss
- 1983-1985 Wehrdienst Bundeswehrkrankenhaus, Abteilung Mund-, Kiefer- u. Gesichtschirurgie
- 1985-1992 Labor Jung, Kaltenkirchen, Keramik-, Kombi- und Frästechnik
- 1992 Luhnig Zahntechnik, Laborleitung und Kundenbetreuung
- 1996 Meisterprüfung Neumünster
- 2001 Inhaber eines eigenen Labors, Norderstedt