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Versorgung des zahnlosen Oberkiefers mit Mini Dental Implantaten

Standardimplantate erfordern ein ausreichend dimensioniertes, knöchernes Implantatlager, damit sie primärstabil im Knochen verankert werden können. Eine Standardversorgung ist bei Patienten nach einer längeren Zahnlosigkeit und dem Tragen eines schleimhautgelagerten, herausnehmbaren Zahnersatzes infolge der Resorption des knöchernen Alveolarfortsatzes jedoch häufig nicht möglich. Bei diesen nicht idealen klinischen Ausgangsvoraussetzungen ist die Versorgung der Patienten mittels Mini Dental Implantaten (MDI) eine gute Behandlungsoption. 

Anamnese und Fallbeschreibung 

Die 56-jährige, gesunde Patientin suchte unsere Praxis auf, da sie mit dem schlechten Halt ihrer herausnehmbaren Teilprothese im Oberkiefer nicht zufrieden war. 

Die spezielle Anamnese ergab, dass die Patientin zum Ersatz der Zähne 15 bis 24 alio loco mit einer Interimsprothese versorgt worden war. Die noch vorhandenen vier Restzähne im Oberkiefer wiesen einen Lockerungsgrad III auf. Eine Lockerung der noch vorhandenen Unterkieferzähne 35 bis 45 lag nicht vor. Bei allen Restzähnen bestand eine Blutung bei Sondierung und die Sondierungstiefen betrugen bis zu 10,0 mm. 

Die Kauflächen aller Zähne wiesen starke Attritionen auf, die auf Parafunktionen und einen abgesenkten Biss hindeuteten. Die Mundhygiene wurde als gut eingestuft. Die Patientin wies einen normalen gingivalen Phänotyp auf. Der Oberkiefer-Alveolarfortsatz war schmal und wies Unterschnitte auf (Abb. 1, 2). 

Röntgenologisch war zu erkennen, dass bei den Zähnen 17, 16 und 26 mehr als die Hälfte des Knochens verloren gegangen war. Von Zahn 24 war noch ein Wurzelrest im Kiefer vorhanden. Im Unterkiefer war ein mäßiger horizontaler Knochenabbau ohne vertikale Knocheneinbrüche erkennbar (Abb. 3). 

Diagnostik und Planung 

Da die Patientin eine besser haftende prothetische Versorgung wünschte, wählten wir aufgrund der nicht optimalen Kieferverhältnisse einen implantatgetragenen, herausnehmbaren Zahnersatz auf sechs einteiligen MDI (Condent) in regio 14, 12, 11, 21, 22 und 23. Die vorhandene Interimsprothese sollte umgestaltet werden und während der Einheilung als Provisorium dienen. Daher wurden die natürlichen Zähne bis zum Abschluss der Einheilphase im Kiefer belassen und erst zum Zeitpunkt der definitiven prothetischen Versorgung entfernt. Für die abschließende Prothetik wurde eine Oberkiefer-Deckprothese aus Kunststoff geplant. 

Operatives Vorgehen und prothetische Versorgung 

Der Eingriff erfolgte unter Lokalanästhesie. Nach einer krestalen Schnittführung wurde zunächst rechtsseitig ein minimalinvasiver Mukoperiostlappen gebildet, um unter Sicht arbeiten zu können (Abb. 4). Auf diese Weise konnte eine Fenestration der fazialen Knochenwand des schmalen Alveolarkamms vermieden werden. Die Pilotbohrung in die Kortikalis erfolgte mit 1,1 mm Bohrern (Abb. 5). Die Länge aller Implantate betrug 13,0 mm und der Durchmesser 2,4 mm, mit Ausnahme des Implantates in regio 12 mit einem Durchmesser von 2,1 mm. Nach Abschluss der Pilotbohrung wurden die Implantate zuerst mit einem Fingerschlüssel, dann mit dem Flügelschrauber und anschließend mit der Drehmomentratsche mit einem Insertionstorque (ISQ) zwischen 25-45 Ncm eingeschraubt (Abb. 6, 7, 8). Links wurde ebenfalls ein offener Zugang gewählt und zunächst der Wurzelrest des Zahnes 24 entfernt (Abb. 9, 10, 11). Auf dem postoperativen Orthopantomogramm waren leichte Winkelabweichungen zwischen den Implantaten ersichtlich (Abb. 12). Diese konnten mittels des Kugelkopfdesigns prothetisch kompensiert werden. 

Nach einer Einheilzeit von sechs Monaten stellte sich die Patientin zur definitiven prothetischen Versorgung vor. Die Implantate waren knöchern gut eingeheilt und das periimplantäre Weichgewebe war reizlos (Abb. 13, 14).  Im Vorfeld war nach einer Abformung mittels Impregum bereits eine Vollprothese hergestellt worden (Abb. 15). Nach der Extraktion der vier Restzähne im Oberkiefer wurden die Metallhülsen des Verbindungssystems auf die Kugelköpfe der MDI aufgebracht (Abb. 16). 

Die Prothese wurde im Bereich der Implantate innen ausgeschliffen und mit selbsthärtendem Kunststoff (Secure Pick-up) wieder eingesetzt, um die Hülsen in die Prothesenbasis einzupolymerisieren (Abb. 17). Über die O-Ringe konnte eine gute Retention des Zahnersatzes auf den Implantaten erzielt werden. Die Patientin war mit dem endgültigen Ergebnis zufrieden (Abb. 18). Die prothetische Versorgung des Unterkiefers sollte zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal mit der Patientin abgestimmt werden.

Diskussion

Mini Dental Implantate 

MDI sind bei nicht optimalen Verhältnissen eine gute und kostengünstige Behandlungsalternative zur Therapie mit Standardimplantaten [7,13,14]. In Bezug auf die Erfolgs- und Überlebensraten der MDI sind die Angaben in der Literatur differenziert zu betrachten, denn derzeit gibt es noch keinen Konsens über die Nomenklatur und den Durchmesser für MDI. 

Bei den im vorliegenden Patientenfall verwendeten MDI mit Durchmessern von 2,1 mm und 2,4 mm liegen die Implantatüberlebensraten zwischen 50,0-75,0 % und die prothetischen Erfolgsraten bei bis zu 80,0 %, und somit unterhalb der Ergebnisse bei Standardimplantaten [14,15]. Dennoch tragen MDI bei der Versorgung des zahnlosen Oberkiefers u. a. zu einer signifikanten Verbesserung der Prothesenstabilität und zu einer hohen Patientenzufriedenheit bei [1,15]. 

Kugelkopfattachments und O-Ringe 

Für herausnehmbare implantatprothetische Versorgungen des zahnlosen Oberkiefers stehen neben kugelkopfförmigen Attachments zahlreiche andere Verbindungselemente zur Fixierung der prothetischen Suprastruktur zur Verfügung. Retentions- und Stabilitätsverluste sowie Weichgewebsentzündungen und krestale Knochenverluste werden bei allen Systemen als technische und biologische Komplikationen beschrieben. 

Die häufigste technische Komplikation bei den Kugelkopfattachments ist offensichtlich der Retentionsverlust durch die Ermüdung des Gummis der flexiblen O-Ringe [11,12]. In Bezug auf Retentionsverluste scheint keines der gängigen Systeme Vorteile aufzuweisen, denn über die Zeit betrachtet treten diese bei allen Verbindungen gleichermaßen auf [4,9,11]. 

Hinsichtlich der Retentionskraft von Kugelkopfattachments im Vergleich zu anderen Systemen sind die Angaben in der Literatur teilweise widersprüchlich und daher nicht eindeutig [2,3,6,8]. In einem systematischen Review waren nach drei Jahren Attachment-Überlebensraten verschiedener Systeme von über 90,0 % ohne signifikante Unterschiede zu beobachten [5]. 

Beim Ausmaß krestaler Knochenverluste werden in der Literatur ebenfalls keine Unterschiede in Abhängigkeit vom jeweiligen Befestigungssystem aufgeführt [8,11]. In Übersichtsarbeiten werden Kugelkopfsysteme und Lokatoren aufgrund ihres gewebefreundlichen Verhaltens, ihrer Überlebensraten sowie der Patientenzufriedenheit als die besten Verbindungslösungen bei der implantatprothetischen Versorgung bezeichnet [5,10]. 

Fazit

Die minimalinvasive implantatprothetische Versorgung mit MDI und Kugelkopfattachments stellt insbesondere aufgrund der hohen Patientenzufriedenheit, die durch eine verbesserte Retention der herausnehmbaren prothetischen Rekonstruktion erzielt werden kann, eine gute und ressourcenschonende Versorgungsmöglichkeit bei nicht optimalen Patientenvoraussetzungen dar. Die relativ geringe Restaurationshöhe der Kugelkopfattachments war im vorliegenden Fall infolge des vertikalen Höhenverlusts bei der Patientin zusätzlich von Vorteil. Mögliche technische und/oder biologische Komplikationen können durch eine regelmäßige prothetische Nachsorge frühzeitig erkannt werden.

Autor:

Dr. med. dent. Efthymios Karinos, M.Sc.

  • 2005-2011 Studium Zahnmedizin-Diplom (DDS), Doctor of Dental Surgery, Nationale und Kapodistria Universität Athen, Griechenland
  • 2011-2015 Angestellter Leiter einer Düsseldorfer Zahnarztpraxis
  • Seit Oktober 2015 Niedergelassener Zahnarzt und Praxisinhaber der Zahnarztpraxis Dr. Karinos, Schwäbisch Gmünd
  • 2017 Master of Science Orale Chirurgie/Implantologie
  • 2021 Promotion zum Dr. med. dent. an der Universität Witten/Herdecke 

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