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Risikoorientiertes Implantieren bei Medikation mit Bisphosphonaten

Bei Patienten mit einer Medikation mit Bisphosphonaten gilt es eine restaurative/ prothetische Versorgung zu wählen, die mit einem möglichst geringen Risiko der Entwicklung einer Osteonekrose einhergeht. Deren Entstehung wird meist durch enorale Wunden begünstigt, wie etwa eine entzündlich veränderte Mundschleimhaut, Parodontopathien, chirurgische Eingriffe oder auch Prothesendruckstellen. Mit der Abstützung von Zahnersatz auf Implantaten können Prothesendruckstellen vermieden werden. Jedoch gilt es, das Risiko von Komplikationen bei der Einheilung minimal zu gestalten. 

Bei bereits bestehender Medikation mit Bisphosphonaten kann durch den chirurgischen Eingriff der Insertion von Implantaten ein Osteonekroserisiko entstehen, ebenso wie etwa später durch eine Periimplantitis. Neben der anamnestischen muss daher die präoperative Analyse der klinischen und radiologischen Befunde besonders sorgfältig durchgeführt werden. Operative Eingriffe sollen immer unter strengen Infektions- und Wundheilungskautelen erfolgen. Maßgeblich sind die Empfehlungen und die systematische Vorgehensweise laut Risikobestimmung anhand der S3-Leitlinie Antiresorptiva-assoziierte Kiefernekrosen (AR-ONJ).

Fallbericht

Die 76-jährige Patientin kam wegen einer Rehabilitierung ihrer gelockerten prothetischen Versorgung neu in unsere Praxis. Allgemeinanamnestisch waren ihre Arthrose und Osteoporose zu beachten, weswegen sie einmal monatlich 150 mg Ibandronsäure (Gruppe der Bisphosphonate) und täglich 40 mg Omeprazol (Gruppe der Protonenpumpenhemmer) einnahm. Weitere für das individuelle Risiko der AR-ONJ relevante Faktoren oder Allgemeinerkrankungen wie etwa Diabetes, Parodontitis, Krebserkrankungen, Nikotinabusus oder Chemo-, Kortison- oder Strahlentherapie konnten ausgeschlossen werden. Eine zahnärztliche Behandlung in einer Klinik wurde wegen der AR-Therapie empfohlen, von der Patientin jedoch abgelehnt. Nach Schweigepflichtentbindung der Patientin erfolgte ein interdisziplinäres Konsil zur verbesserten Einschätzung des Risikos mit dem Hausarzt. 

Diagnostik und Planung 

Nach klinischer Untersuchung und Übersichtsröntgenbild (Abb. 1) stellte sich heraus, dass neben einem horizontalen Knochenabbau und vertikalen Einbrüchen die Zähne 16-13, 23, 24 und 27 Lockerungsgrade von II-III aufwiesen. Die Zähne waren nicht erhaltungsfähig, insbesondere, da intraorale Infektionen und Keimeintrittspforten aufgrund des Risikos für eine Kiefernekrose unbedingt vermieden werden mussten. Alsdann wurde die Patientin ausführlich über die Risiken einer möglichen AR- ONJ aufgeklärt, unter Berücksichtigung der möglichen, ggfs. weniger risikoreichen Alternativen einer zahnmedizinischen Versorgung. 

Die Patientin entschied sich dennoch für eine Implantatversorgung. Vor Beginn der Therapie wurde sie ebenfalls über das notwendige, anamnestisch bedingte, risikoadaptierte Recall während und nach der Versorgung aufgeklärt. Die Zähne 17 und 27 sollten zunächst zur Fixierung des provisorischen ZE belassen werden, die Zähne 12-22 sind erhaltungsfähig. Zunächst sollten die Zähne extrahiert werden und in einem zweiten chirurgischen Termin die Implantate inseriert werden. 

Prä-, intra- und postoperatives Management

Präoperativ wurde der Vitamin-D-Spiegel kontrolliert und die Patientin erhielt zwei Tage vor dem Eingriff und fünf Tage postoperativ 750 mg Amoxicillin täglich. Nach der Extraktion, dem Eliminieren von scharfen Kanten, einem Alveolenmanagement mit PRGF (Fraktion 2 in Alveole, Fraktion 1 als Layer, Abb. 2) wurden die Wunden spannungsfrei dicht mit 3.0er-Naht PTFE vernäht (Abb. 3). Die Patientin wurde aufgeklärt, wie das postoperative Verhalten und die Kontrollen geplant sind. DVT vom ersten und zweiten Quadranten wurden erstellt (Abb. 6, 7). Einen Tag postoperativ sowie im wöchentlichen Abstand wurde der Heilungsverlauf kontrolliert (Abb. 4, 5).

Das PRGF (BTI) wurde zur verbesserten und schmerzfreien Wundheilung gezielt bei dieser Patientin eingesetzt, um Komplikationen vorzubeugen. Aufgrund der vertikalen Knocheneinbrüche und des horizontalen Knochenabbaus wurde vier Monate nach der Extraktion eine DVT zur Erfassung der Restknochenhöhe für die spätere Implantatplanung angefertigt (Abb. 8, 9). 

BTI-Implantate 

Vor Eröffnung des Operationssitus (Abb. 10) zeigten sich gesunde und entzündungsfreie Verhältnisse. Zunächst wurde die linke Kieferseite operiert. Der Kieferknochen war in regio 26 kompromittiert (Abb. 11). Drei BTI-Implantate in regio 23, 24 und 25 (Ø 3,5, L.: 10 mm; Ø 3,5, L.: 8,5 mm; Ø 4, L.: 10 mm) wurden gemäß des Bohrprotokolls zum BTI-Implantatsystem extrem niedrigtourig und ohne Wasserkühlung inseriert (Abb. 12). Mit der hydrophilen UniCa-Oberfläche (BTI) wird eine optimale Osseointegration ermöglicht und eine bakterielle Adhäsion minimiert. 

Im ersten Quadranten zeigte sich ein Knocheneinbruch regio 13/14 (Abb. 13). Nach Implantation der Implantate regio 13, 14 und 15 (15: Ø 4,5, L.: 5,5 mm; 14: Ø 4,0 L.: 6,5 mm; 13 Ø 3,5 L.: 10 mm) wurde mit den gesammelten Knochenchips und PRGF in den Fraktionen eins und zwei vor dem spannungsfreien, dichten Vernähen der Lappen augmentiert (Abb. 15). In der Röntgenkontrolle waren die an das jeweilige Kiefervolumen angepassten Implantatdurchmesser und -längen gut erkennbar (Abb. 16). Die Patientin wurde engmaschig nach dem Eingriff kontrolliert (Abb. 17). 

Definitive Versorgung

Vier Monate nach Implantatinsertion wurden die individuell angefertigten, definitiven Abutments anprobiert (Abb. 18-21), dabei wurde großen Wert auf die Reinigungsfähigkeit sowie die genaue Adaptation der Ränder an die periimplantäre Schleimhaut gelegt. Das Weichgewebe entwickelte sich sehr gut. Ein gesundes Emergenzprofil und ausreichend dicke Mukosa werden für den langfristigen Erhalt der Implantate sorgen (Abb. 22). Kurze Zeit darauf wurden die Abutments definitiv eingesetzt und die Zähne 12-22 beschliffen (Abb. 23). 

Die Zähne 17 und 27 waren in gutem Zustand und suffizient mit Goldteilkronen versorgt. Die definitive Versorgung aus Kronen und implantatgetragenen Brücken erfreute die Patientin, sie war mit ihrem neuen Erscheinungsbild und ihrer wiedergewonnenen, sicheren Kaufunktion sehr zufrieden (Abb. 24, 25). Ihre natürlichen Zähne im Unterkiefer wollte sie erhalten, obwohl sie sich ästhetisch unterschieden. 

Fazit

Die risikoadaptierte Auswahl der Vorgehensweise und Operationsmethode, die Compliance der Patienten, eine verstärkte Aufklärung und die Auswahl der geeigneten Komponenten sind für den Erfolg bei Patienten mit einem anamnestisch bedingten erhöhten Risiko eines Implantatmisserfolgs von großer Bedeutung. Im Zuge der regelmäßigen, engmaschigen Kontrolle und einer guten interdisziplinären Zusammenarbeit mit dem Hausarzt der Patientin konnte die neue Versorgung inzwischen über sieben Jahre erfolgreich gesund und stabil erhalten werden (Röntgenkontrollen 2,5 Jahre und sieben Jahre nach Einsetzen derRestaurationen).

Autor

Zahnarzt Norman Jacob

  • 2003-2010 Studium der Zahnmedizin, Christian- Albrecht-Universität zu Kiel
  • 2010-2012 Assistenzzahnarzt Praxis Dr. Nowak, Berlin
  • 2012-2014 Angestellter Zahnarzt Praxis Dr. Nowak, Berlin
  • 2012 Kerncurriculum Implantologie, Theorie & Praxis in Tübingen, Prof. Dr. Hahn
  • 2014 Gründung Gemeinschaftspraxis mit Dr. Pieter Jacob, Zahnarztpraxis Jacob & Jacob Dental Care Berlin
  • Seit 2019 Einzelpraxis Jacob & Jacob Dental Care Berlin
  • Seit 2023 Gutachter der KZV Berlin

praxis@zahnarztjacob.de

www.zahnarztjacob.de