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4+1=5

Interdisziplinäre Versorgung eines Lückengebisses mit Implantaten nach umfangreicher parodontaler, mukogingivaler und kieferorthopädischer Vorbehandlung

Der männliche, zum Zeitpunkt der Erstbefundung knapp 60 Jahre alte Patient (Abb. 1, 2) stellte sich nach kollegialer Empfehlung zur prothetischen Beratung mit alio loco gefertigter Panoramaschichtaufnahme (Abb. 3) im Juli 2014 in unserer Praxis vor. 

Vorbehandlung 

Nach klinischer und instrumenteller, funktioneller und orthopädischer Analyse (Abb. 4), parallel durchlief er unser Mundhygieneprogramm, entschieden wir uns keine Zähne zu entfernen, sondern kieferorthopädisch so weit wie möglich und zeitlich sinnvoll zu harmonisieren und eine Lücke zu öffnen. 

Die kieferorthopädische Behandlung begann, nachdem der Patient parodontal stabil und auf einem klaren Weg der Optimierung seiner eigenen Mundhygiene war (Abb. 5) im September 2015 mittels festsitzender Bracketbehandlung durch unseren Kollegen Dr. Matthias Jahn. Dabei bestand die Behandlungsplanung u.a. aus einer Straightwire-Technik mit Kettengummis zum Lückenschluss im Unterkiefer und Ausformung des Oberkieferengstandes sowie Öffnung der Lücke 24. Diese war im Juni 2016 nach neun Monaten erfolgreich abgeschlossen (Abb. 6). 

Die Frontzähne wurden mit einem festsitzenden Retainer stabilisiert. Eine ausreichend breite, gut pflegbare Lücke distal vom späteren Implantat 46 wurde bewusst eingeplant. Daher war der Zahn 48 nicht aufgerichtet und mesialisiert worden (siehe krestaler Knochenverlauf im OPG und die krestale Kieferkammbreite Abb. 13). 

Implantologische Planung 

Danach wurden zur implantologischen Planung für den Ober- und Unterkiefer ein DVT gemacht und Orientierungsschablonen gefertigt (Abb. 7, 8). Die knöcherne Situation im Bereich der UK-Frontzähne war sehr stark untersichgehend. 

Die chirurgische Behandlung wurde auf Wunsch des Patienten (stark beruflich eingespannt) in kleinere Abschnitte unterteilt. Der stark zerstörte Zahn 38 wurde zunächst bewusst belassen, um keine weitere transversale Schrumpfung durch die Ausheilung zu provozieren. Die Behandlung begann im Januar 2017 mit drei freien Schleimhauttransplantaten in den Quadranten I, III und IV zur Stabilisierung des späteren periimplantären Weichgewebes sowie zur Vermeidung schädlichen Bandzuges (Abb. 9-14). Im Februar wurde die Implantation regio 41 (Ø 2,9/ 12 mm BLT SLActive, Straumann) durch einen minimalinvasiven Eingriff durchgeführt (Abb. 15). Nach Ausheilung des Weichgewebes im Oberkiefer inserierten wir die Implantate 14, 15, 24 und 27 im März 2017. In regio 15 und 27 wurde dabei ein interner Sinuslift mittels Osteotomtechnik nach Summe durchgeführt. Nach Ausheilung der Weichgewebseingriffe im Unterkiefer implantierten wir in den Regionen 37, 36 und 46. 

Prothetische Versorgung 

Die prothetische Versorgung von 41 erfolgte im Mai 2017, nach Freilegung und Ausformung des Emergenzprofils (Abb. 16) durch ein Hybridabutment auf Klebebasis (Variobase) (Abb.17) und eine verblendete Zirkonoxidkrone (Abb. 18). Eine transokklusal verschraubte Krone war durch die Implantatposition im stark untersichgehenden Knochen nicht möglich. 

Der hochmotivierte und sehr gut instruierte Patient hatte während des gesamten Behandlungszeitraumes seine häusliche Mundhygiene permanent optimiert. Trotzdem zeigen gerade offene Interdentalräume weiterhin noch vereinzelte Schwachpunkte (Abb. 19). Durch noninvasive, rein additive Komposittechnik wurden die beiden Zwischenräume zwischen 31 und dem überzähligen Zahn 32 verschlossen und die Hygienefähigkeit dadurch deutlich verbessert (Abb. 19, 20). Die Adhäsivtechnik ist auch röntgenologisch gut dargestellt und fügt sich sehr gut ins Gesamtbild ein. 

Die prothetische Versorgung der Seitenzahnregionen erfolgte im Dezember 2017 durch verblendete Zirkonoxidkronen, alle Implantatkronen konnten transokklusal verschraubt werden. 

Zur Retention der Kieferorthopädie wurde im Oberkiefer ein Retainer an den Zähnen 13-32 befestigt, der im Laufe der Jahre bis 23 gekürzt wurde. Im Unterkiefer ergaben sich zwei durch das Implantat auf Position 41 unterbrochene Teilretainer, die zusätzlich über eine Miniplastschiene in der Nacht stabilisiert wurden. 

Verlauf 

Im Januar 2019, ca. ein Jahr nach prothetischer Versorgung, fertigen wir routinemäßig eine Übersichtskontrollaufnahme, um Umbauvorgänge nach dem Loading zu detektieren (Abb. 20). Alle Implantate zeigen sich gut osseointegriert. Reizlose, stabile mukogingivale Verhältnisse runden eine hygienefähige Einzelversorgung harmonisch ab (Abb. 21, 22). Nach vier weiteren Jahren (Februar 2023) wurde erneut ein OPG angefertigt (Abb. 23). Die knöcherne Situation der Implantate ist unverändert stabil und die Versorgung als langzeitstabil einzuschätzen. Die Weichgewebe um die Implantate stellen sich reizlos dar (Abb. 24, 25). Die Unterkieferfrontzähne sind sechs Jahre nach der Kieferorthopädie knöchern stabil, es gibt keine Anzeichen von Wurzelresorptionen. Der Patient zeigt eine ausgezeichnete Compliance und kommt dreimal jährlich zur professionellen Zahnreinigung, was sicher zu einem stabilen Ergebnis und zum Erfolg beiträgt. 

Diskussion 

Kritisch zu betrachten ist, dass die Retention des linken Frontzahnsegmentes nicht dauerhaft perfekt gelungen zu sein scheint (Abb. 25). Ursächlich dafür ist, dass der Patient, nachdem die Retentionsschiene im Juni 2019 einmal erneuert wurde, das Tragen später reduziert und dann aufgehört hatte. Dadurch ist das Element ganz leicht nach bukkal gekippt und die Papillen haben sich in den Interdentalräume etwas geöffnet, obwohl die seinerzeit angebrachten Kompositrestaurationen noch voll erhalten sind (Abb. 23). Dies wird im weiteren Verlauf mit einer Schiene korrigiert. 

Fazit 

Zusammenfassend kann man konstatieren, dass eine prächirurgische Kieferorthopädie auch im fortgeschrittenen Alter erfolgreich ist. Nach Lückenöffnung zur Einzelzahnversorgung entstand im Unterkieferfrontzahnbereich eine ungewöhnliche Versorgung durch fünf Frontzähne. 

In diesem Fall ermöglichte die Behandlungsmaßnahme ein kosmetisch und funktionell stabiles Ergebnis ohne Extraktion, die jedoch eine erhöhte Aufmerksamkeit in der Kontrolle der Retention durch das Behandlerteam zusammen mit dem Patienten erfordert. Die Motivation und ausgezeichnete Compliance des Patienten sichern den Erfolg! 

Autor

Dr. med. dent. Frank Hoffmann

  • Studium der Zahnmedizin an der Universität Hamburg 
  • 1988 Staatsexamen und Approbation, Assistenzzahnarzt in der Praxis Dr. Milde, Hamburg 
  • 1989 Promotion
  • 1991 Gründung der zahnärztl. Gemeinschaftspraxis mit Dr. Karl-Hans Milde
  • 1997 Zahnärztl. Gemeinschaftspraxis mit Dr. Karl-Hans Milde und Dr. Matthias Jahn
  • 2019 Zahnärztliche Partnerschaft Dr. Frank Hoffmann, Dr. Matthias Jahn, Dr. Henning Brameyer, Dr. Kristian Jährig
  • Curriculum Implantologie der DGI, Curriculum 
  • Umwelt-ZahnMedizin, DEGUZ
  • Referententätigkeit: Vorträge und Leitung von praktischen Studiengruppen seit 2013 

zahnarztpraxis@borgweg.de 

www.borgweg.de